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Rod Stewart tritt am Sonntag in Berlin auf. Es gibt sogar noch Karten.

© ddp

Konzert: Trotz Fußball-WM: Rod Stewart in Berlin

Fußballfan, Liebhaber und Working Class Hero: Der Beinahe-Profi-Fußballer Rod Stewart geht mitten während der Weltmeisterschaft auf Tournee. Zum Glück ist Sonntag spielfrei.

Was ist nur mit Rod Stewart los? Mitten während der Weltmeisterschaft geht der Beinahe-Profifußballer auf Tournee. Obwohl er doch erst im Januar 65 Jahre alt geworden ist und sich also gut zur Ruhe setzen könnte. Und es gibt sogar noch Karten, jedenfalls solche in den höheren Preiskategorien zwischen 99,80 und 74,50 Euro. Auch komisch, wo doch seine weiblichen Fans langsam in einem derart arrivierten Alter sein müssten, dass sie sich ein Plätzchen in der ersten Reihe getrost mal gönnen könnten.

Am Sonntag tritt er jedenfalls abends um 20 Uhr in der O2-World auf. Okay, da ist spielfrei, aber trotzdem stört es doch irgendwie die Konzentration. Bei der Weltmeisterschaft 1990 gab’s nichts Größeres als Fußball. Da ließ er aus seinem Hotelfenster in Italien die schottische Flagge heraushängen, bis die Schotten ausschieden. Als dieses Desaster geschah, beendete er still und plötzlich die Ferien in Portofino.

Enttäuscht von seinen elf Schotten sang er damals im Duett mit Tina Turner „It takes two“. Seine Songs sind das perfekte Damenprogramm, eine echt romantische Alternative zum Fußball. „Sometimes when we touch“ könnte theoretisch zwar auch zur Hymne des Torjägers umgedeutet werden, ist aber in Wirklichkeit ein tief unter die Haut gehender Song über die Liebe, über die Frauen immer noch lieber und länger reden als Männer, besonders in diesen Tagen.

Seinen Traum, Profifußballer zu werden, hatte Rod Stewart schon Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts beendet. Er kickte bei einem Zweitligisten und musste irgendwann einsehen: Für Fußball bin ich nicht gut genug. Seitdem spielt er im Musikgeschäft, schon jahrzehntelang in der ersten Liga. Das ist im Fußball sowieso nicht zu schaffen. Allein ein Blick auf die Titel seiner großen Hits knipst im Kopf diese unverkennbare Reibeisenstimme an, der man das alte Herz schon viel zu früh glaubte: „Maggie May“ von 1971, „Sailing“ von 1975, ein Jahr später „The first Cut is the deepest“, das Jahr darauf „You’re in my Heart“, „Downtown Train“ 1989, Anfang der 90er „Rhythm of my Heart“ und „Have I told you lately“, 2006 schließlich „Have you ever seen the Rain“. Immerhin hat der Mann, der so melodiös lieben kann, sieben Kinder von fünf Frauen und ist seit drei Jahren mit Penny Lancaster verheiratet.

Ein schwerer Schicksalsschlag hat ihn 2004 ereilt. Nach mehreren Knieoperationen musste er sich der Tatsache stellen, dass er nie wieder würde Fußball spielen können. „Ein schrecklicher Moment“, verriet er der „Zeit“. Sein Vater, ein schottischer Bergarbeiter, hatte den jungen Rod schon früh mitgenommen auf den Bolzplatz, wo er zwei Teams trainierte. Der Anhänger von Celtic Glasgow liebt am Spiel vor allem das archaisch Männliche, den Schweiß, den Kampf und die Kameradschaft.

Eigentlich kein Wunder, dass er früh zum Sexsymbol wurde, obwohl ernsthafte Kritiker pflichtschuldig und immer wieder seine 80er-Jahre-Frisur, seinen Hang zu langbeinigen Blondinen, seine angeblich softige Mittelmäßigkeit geißelten. Trotzdem kam die Mischung aus verschärftem Testosteron und Zartgefühl mit Reibeisen-Sound auf Dauer an. Man kann sagen, dass Rod Stewart Generationen heterosexueller Geschlechtsgenossen gelehrt hat, in welcher Tonlage man zuverlässig langbeinige Blondinen erobert. Manchmal wirkte er dabei fast selbstironisch. Man muss ja auch nicht jeden Künstler, der als Working Class Hero die Massen beglückt, zum intellektuellen Balladensänger umstylen. Dünkelhaftigkeit verbietet sich eh, denn während Rod Stewart zum internationalen Popstar emporwuchs, hat sich auch der Fußball vom Steiger-Sport zum Fest für die Welt entwickelt.

Seine Konzerte in Berlin liefen nicht immer reibungslos ab. Mal füllte er die Waldbühne nur halb, mal regnete es in Strömen, mal musste er wegen einer Fischvergiftung den Auftritt verschieben, um sich beim Nachfolgetermin vom Butler auf der Bühne Hustensaft servieren zu lassen. Das war 1991, da kamen immerhin 22 000 und unterstützten ihren Helden stimmgewaltig, indem sie alle Songs einfach mitsangen, was bei solchen Ohrwürmern ja manchmal auch viel mehr Spaß machen kann, als einfach nur still zuzuhören: „I don’t want to talk about it, how you broke my heart.“ Da sehnt man sich doch geradezu nach Liebeskummer.

Ach ja, klar, dass am kommenden Sonntagabend spielfrei ist, sonst könnte Rod Stewart ja ohne Fernseher gar nicht auf die Bühne kommen. In der Vergangenheit zeigte er immer wieder Spaß daran, Bälle ins Publikum zu schießen. So könnte aus dem Damenprogramm doch noch ein zünftiger Pärchenabend werden.

02-World, 4. Juli, 20 Uhr, ab 74,50 Euro

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