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Kopfsteine des Anstoßes: Soll Berlins historisches Kopfsteinpflaster erhalten werden?

Allerorten wird gebaut, nach und nach verschwindet das historische Pflaster. Manche finden es laut, andere idyllisch. Soll der Straßenbelag geschützt werden? Diskutieren Sie mit!

Für die einen ist es ein Ärgernis, die anderen finden es idyllisch: Am Berliner Kopfsteinpflaster scheiden sich die Geister. An vielen Stellen der Stadt verschwindet derzeit der traditionsreiche Straßenbelag und wird durch glatten Asphalt ersetzt. Angesichts etlicher Baustellen, auf denen im Moment mit Hilfe des Konjunkturprogramms II der Bundesregierung die Straßen ausgebessert werden, stellt sich die Frage: Soll man das Kopfsteinpflaster erhalten oder die Straßen asphaltieren?

Noch haben etwa zwölf Prozent der Berliner Straßen Kopfsteinpflaster – zusammengenommen 6,68 Millionen Quadratmeter. Der Anteil des Kopfsteinpflasters ist seit 1999 um gut 300 000 Quadratmeter zurückgegangen. Insgesamt verfügt die Stadt über gut 52 Millionen Quadratmeter Fahrbahnfläche. Davon bestehen gut zwei Drittel aus Asphalt oder Beton, der Rest ist unterschiedlich gepflastert oder überhaupt nicht befestigt.

Dass die Steine heutzutage „nicht mehr das Mittel der Wahl sind“, hat nach Angaben des Sprechers der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Mathias Gille, mehrere Gründe. Sie seien nicht mehr zeitgemäß, für Radfahrer ungeeignet und verursachten zu viel Lärm. Die bewusste Erhaltung der Pflasterung zur Verhinderung von Schleichwegen parallel zu häufig verstopften Hauptverkehrsadern, wie in Hermsdorf, sei die Ausnahme.

Es gibt weitaus mehr Bürgerbeschwerden über den Lärm als über die Asphaltierung von Straßen, sagt Gille. Bei 50 Stundenkilometern sei der Verkehrslärm an einer gepflasterten Straße um sechs bis sieben Dezibel höher, bei Tempo 30 seien es immer noch drei bis vier Dezibel. Dennoch wolle man das Stadtbild an den historischen Orten erhalten. Ohnehin handele es sich um Entscheidungen, die von den Bezirken mitgetroffen werden.

Treptow-Köpenick ist mit einem Rückgang um rund 100 000 auf 526 000 Quadratmeter Spitzenreiter. Viele Durchgangsstraßen wurden asphaltiert, sagt Stadtrat Rainer Hölmer (SPD). Er spricht vom „Spagat zwischen barrierefreiem und fahrradfreundlichem Bauen und dem Denkmalschutz“. In historischen Bereichen werde das Pflaster erhalten. In den anderen Bezirken ging die gepflasterte Straßenfläche laut Senatsverwaltung in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 20 000 Quadratmeter zurück.

In Friedrichshain-Kreuzberg, wo sich Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper (SPD) 2001 mit anderen Anwohnern erfolgreich für den Erhalt des Pflasters vor seiner Wohnung in der Fichtestraße stark gemacht hatte, waren es sogar nur knapp 3500 Quadratmeter. Stadträtin Jutta Kalepky (parteilos für B90/Grüne) hält das Pflaster in den Nebenstraßen für schützenswert, hat aber auch Verständnis für die Lärmprobleme der Bürger, die sich häufiger bei ihr beklagen. So wurde die Johanniterstraße nach massiven Beschwerden asphaltiert. Für ein Teilstück der Mariannenstraße wird ein Kompromiss mit asphaltierten Randstreifen für Radfahrer diskutiert.

Auch in Pankow ist man gespalten. Berliner Straße und Wollankstraße erhalten wegen der hohen Lärmbelastung derzeit einen Asphaltbelag. Dagegen hätten sich bei der Rosenthaler Hauptstraße die Befürworter des Kopfsteinpflasters durchgesetzt, was insbesondere an der Schnittstelle zu erheblichen Beschwerden führe, sagt Stadtrat Martin Federlein (CDU). In Mitte bleibt man schon aus Geldmangel dort, wo sie in gutem Zustand sind, bei den Großsteinen, sagt Fachbereichsleiter Thomas Schuster. Lediglich das Friedrich-Krause-Ufer wird demnächst aus Lärmschutzgründen asphaltiert.

„Die Haltbarkeit einer gepflasterten Straße ist besser“, sagt Siegfried Maerker vom Tiefbauamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Zur Asphaltierung fehle ohnehin das Geld, lediglich ein Abschnitt der Pestalozzistraße wurde jetzt nach Bürgerbeschwerden saniert. In Neukölln werden dagegen aus den Mitteln des Konjunkturprogramms II zum Lärmschutz bevorzugt Pflasterstraßen beseitigt. Ausgenommen sind historische Bereiche wie der Rixdorfer Ortskern mit dem Richardplatz, sagt der stellvertretende Tiefbauamtsleiter Helmut Folger.

„Ein gut gepflegtes Kopfsteinpflaster ist immer angenehmer als eine liederlich unterhaltene Asphaltstraße“, sagt Michael Stein. Das sei seine persönliche Meinung als Stadtplaner und Bürger, sagt der Vorsitzende der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung. Gerade in traditionellen Vierteln wie Kreuzberg und Neukölln sollte man das Pflaster erhalten. Zu laut werde es nur, wenn die Autos zu schnell darüber fahren.

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