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Giesecke

© Matthias Mattern

Korruptionsvorwürfe: Im Kreis der Vettern

Ein Unternehmer soll eine ganze Reihe an Politikern geschmiert haben, darunter auch den Landrat Teltow-Fläming Peer Giesecke. Die Ermittlungen gehen tief - sie reichen bis in das Privatleben der Politiker.

Luckenwalde - Es geht um teure Abende in Restaurants, spendierte Reisen auf die Ferieninsel Mallorca, aber auch um die Vergabe von Bauaufträgen und fragwürdige Abrissgenehmigungen – wie so oft bei Korruptionsfällen in Brandenburg. Für Peer Giesecke (SPD) könnte es das Ende seiner politischen Karriere bedeuten. Jetzt stehen die Ermittlungen gegen den 61-jährigen Landrat von Teltow-Fläming, einen der dienstältesten in Brandenburg, kurz vor dem Ende. Bis Jahresende will die Staatsanwaltschaft Neuruppin das Verfahren abschließen. Sollte Giesecke in einem möglichen Prozess verurteilt werden, droht ihm die Amtsenthebung. Ein Disziplinarverfahren des Innenministeriums ruht vorerst. Selbst SPD-Genossen glauben, dass Giesecke als Landrat schon nicht mehr tragbar wäre, wenn auch nur Anklage erhoben würde.

Seit Sommer 2010 stießen die Korruptionsermittler nach und nach auf einen Kreis von eng verbandelten Politikern und Unternehmern. Selbst ein örtlicher Polizeiführer stand im Visier der Ermittler. Ob sich der Verdacht erhärtet, wird noch geprüft. Ermittelt wird gegen insgesamt neun Personen. Giesecke wird Vorteilsnahme, Untreue und Bestechlichkeit vorgeworfen. Er selbst wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.

Die zentrale Person in diesem Geflecht aber ist der Unternehmer Manfred C., der jahrelang dem Landrat in den vergangenen Jahren teure Essen für mehrere tausend Euro und auch eine Reise nach Mallorca spendiert haben soll. Im Gegenzug, so lautet der Vorwurf der Ermittler, soll er sich an oberste Stelle und gegen Forderungen des Landesamtes für Denkmalpflege und der eigenen Fachleute vehement für den Abriss eines unter Denkmalschutz stehenden Gutshofes in Großbeeren eingesetzt haben.

Die damalige Kulturministerin Martina Münch (SPD), die heute das Bildungsressort leitet, hatte die Sondergenehmigung nach jahrelangem Tauziehen im Mai 2010 schließlich erteilt. Wo einst das Denkmal stand, gibt es jetzt einen Supermarkt samt Parkplatz. Nach diesem Fall und einer Razzia im Frühjahr 2011, bei der Bewirtungsbelege auftauchten, fanden die Ermittler weitere mutmaßliche Korruptionsfälle im Umfeld des regionalen Baulöwen C. und der SPD.

Im Verdacht steht etwa der Bürgermeister von Großbeeren, Carl Ahlgrimm (SPD), dem die Ermittler ein „überbordendes Engagement für den Abriss des Gutshofes“ attestieren und der, wie Giesecke, auf Kosten des Bauunternehmers bei kostspieligen Essen fürstlich bedient worden sein soll. Auch gegen den früheren Bürgermeister der Stadt Ludwigsfelde, Heinrich Scholl, wird wegen teurer Gratisspeisen und dreier Mallorca-Reisen ermittelt. Das Verfahren gegen den amtierenden Rathauschef Frank Gerhard (SPD) stellte die Staatsanwaltschaft wegen geringer Schuld ein. Frank musste 2000 Euro Geldbuße für Essen im Wert von Hunderten von Euro zahlen.

Bei Ex-Bürgermeister Scholl, der seit 1990 im Amt war und 2008 aus Altersgründen ausschied, geht es um mehrere Bauprojekte, die C. im Auftrag der Stadt Ludwigsfelde umsetzte, darunter eine 2009 eröffnete, 1,8 Millionen Euro teure neue Tribüne für das Waldstadion. Das Angebot war eine Million Euro günstiger als das nächst höhere. Das Besondere: Die Stadt kann die Tribüne 2014 als Mietkaufobjekt erwerben. Auffällig sind auch die persönlichen Bande: C. und Landrat Giesecke sind befreundet. Der Unternehmer bestätigt die Essenseinladung, von Mallorca-Reisen will er nichts wissen.

Ludwigsfeldes Ex-Bürgermeister Scholl war nach seinem Rückzug aus der Politik für C. tätig, ebenso die Frau von Großbeerens Gemeindechef als Wohnungsverwalterin. C. lobt sich, „viel Gutes“ für Großbeeren getan zu haben, besonders an öffentlichen Gebäuden wie der Schule, für die er meist das günstigste Angebot vorgelegt habe. Bei Giesecke gehen die Ermittlungen bis tief hinein ins Privatleben: Im Frühjahr wollte er den Exmann seiner Ehefrau, einen Rechtsanwalt mit SPD-Parteibuch, zum persönlichen Referenten machen, zog nach Protesten die Entscheidung aber zurück.

Das Verfahren dreht sich nun um die Zeit davor. Giesecke soll Vergaberegeln umgangen haben und dem Juristen einen Auftrag im Wert von 90 000 Euro zugeschanzt haben, der dafür Bürger in Sachen Hauptstadtflughafen Schönefeld rechtlich beraten hat. Im Haushalt des Landkreises tauchte die Summe nicht auf, jetzt besteht Untreueverdacht.

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