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Kinder sind ein Geschenk. Und die Koalition will jetzt noch zusätzlich beitragsfreie Krippenjahre spendieren - auch wenn die Idee nur wenige Anhänger hat.

© Kitty Kleist-Heinrich

Kostenlose Krippen in Berlin: Kita-Gesetz: Millionengeschenk ohne Anhörung

Kita-Träger waren nicht eingeladen, als der Jugendausschuss die Gebührenfreiheit diskutierte. Aber es ging noch um mehr - hinter den Kulissen.

Ein „großer Wurf“ (SPD) oder doch nur die „Trophäe des Herrn Saleh“ (Linke) – zwischen diesen Polen schwankten am Donnerstag die Einschätzungen im Jugendausschuss, der das neue Kita-Gesetz diskutierte. Das laute Nein der Opposition am Schluss der Debatte ändert aber wohl nichts mehr daran, dass einige tausend Kita-Eltern vom Sommer an eine ganze Menge Geld sparen werden.

Denn die Koalition hielt auch bei der letzten Ausschusssitzung zum Kita-Gesetz zu SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der die Beitragsfreiheit für die Krippe bereits vor über einem Jahr als Ziel vorgegeben hatte. Bisher gilt sie nur für die älteren Kita-Kinder. Laut Gesetzentwurf soll sie ab August 2016 auch schon die Zweijährigen erfassen, also vier Jahre vor der Schulpflicht greifen. Damit ist die ganz große Mehrheit der Kita-Eltern freigestellt, bevor im Herbst in Berlin gewählt wird. Ab August 2017 wird die Gebührenbefreiung dann sogar für die letzten fünf Jahre vor Schulbeginn gelten, betrifft dann also bereits die Einjährigen. Und ab 2018 muss niemand mehr zahlen.

Qualität versus Beitragsfreiheit

Wie berichtet hatte es gegen dieses Vorhaben von Anfang an Protest gegeben: Alle großen Kita-Träger, die Opposition und die wichtigsten Elterngremien hatten sich dagegen ausgesprochen, weil sie es wichtiger finden, zunächst die Qualität der Kitas zu verbessern. Selbst die SPD-Basis hielt eine Qualitätsverbesserung für wichtiger. Insbesondere die im Bundesvergleich sehr großen Krippengruppen wurden kritisiert. Daraufhin wurde in das neue Kita-Gesetz auch eine Verstärkung des Personals aufgenommen: Pro Erzieherin soll ab 2019 ein Kind weniger betreut werden. Hier fordert aber die Opposition, dass diese Verbesserung schon früher in vollem Umfang greifen soll und nicht schrittweise erst in drei Jahren.

„Anfang 2018 ein Kind pro Gruppe weniger – das ist unsere Hoffnung“, fasste Martin Hoyer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband die Forderung der freien Kita-Träger zusammen. Die Träger, darunter die AWO, die Caritas und die Kinderläden, hatten am Donnerstagmorgen zum Pressegespräch geladen, weil sich die Koalition auf Drängen der SPD gegen eine Anhörung im Ausschuss entschieden hatte.

Die Opposition protestiert

Es zeuge von „mangelnder Souveränität der SPD, dass sie sich der Kritik nicht stellen wollte und die Anhörung verhindert hat“, befand Marianne Burkert-Eulitz (Grüne). Katrin Möller (Linke) sprach von einem „unglaublichen Vorgang“. SPD-Jugendpolitiker Björn Eggert hielt dem entgegen, dass er „zwei Stunden mit den freien Trägern zusammengesessen“ habe – was die Opposition als mageren Ersatz für eine Anhörung bezeichnete.

Die Mehrzahl der Berliner zahlt pro Monat weit unter 50 Euro Kita-Gebühr. Vor diesem Hintergrund sagte Susanne Graf (Piraten), die Beitragsfreiheit sei „das Letzte, was wir brauchen“ und pflichtete damit Grünen und Linken im Laufe der aufgeregten Debatte bei, nachdem auch Roman Simon (CDU) zugegeben hatte, dass der Wegfall der Kita-Gebühren „keine Herzensangelegenheit“ seiner Fraktion sei.

SPD: Zuzügler fühlen sich "wie im Paradies"

Man könne sich „über Prioritäten streiten“, aber Zuzügler fühlten sich in Berlin angesichts der Beitragsfreiheit „wie im Paradies“, sagte Jugend-Staatssekretärin Sigrid Klebba (SPD) zum vorläufigen Abschluss der Debatte. Als Nächstes ist der Hauptausschuss dran. Auch dort dürfte rege diskutiert werden, ob Berlin auf Krippen-Gebühren in Höhe von rund 59 Millionen Euro verzichten kann.

Die CDU hat noch Gesprächsbedarf

Aber nicht nur das, denn die CDU hat noch weiteren Gesprächsbedarf. So nimmt sie Anstoß daran, dass die Bildungsverwaltung im Kitagesetz noch weitere Dinge regeln möchte, die zwischen den Koalitionspartnern gar nicht abgesprochen waren. Dazu zählt etwa, dass die freien Träger gezwungen werden sollen, ein transparentes Wartelisten-Management zu leisten, was aber mit erheblichem Mehraufwand verbunden ist. Nicht nur kleineren Kita-Träger, die im Dachverband der Kinder- und Schülerläden (DaKS) organisiert sind, sperren sich dagegen. Zudem will die SPD künftig erreichen, dass freie Träger nicht mehr beliebig hohe Zusatzbeiträge von Eltern erheben dürfen.

Streit um zusätzliche Elternbeiträge

AUSGANGSLAGE

In Berlin werden alle öffentlichen und die meisten freien Kitas über ein festes Platzgeld aus Steuern finanziert. Ergänzend können freie Kitas Zusatzbeiträge für Sonderleistungen erheben. Damit Kinder, deren Eltern diese Beiträge nicht (mehr) zahlen können oder wollen, dennoch in der Kita bleiben dürfen, hat der Senat vorgeschrieben, dass „alle Kinder an allen Angeboten der Kita teilnehmen dürfen, auch wenn ihre Eltern nichts dazuzahlen“. Dies solle Ausgrenzung verhindern.

AUSNAHMEN

Diese Vorschrift gilt nicht für Eltern-Initiativ-Kindertagesstätten, die von Müttern und Vätern gegründet und verwaltet werden: Sie dürfen selbst über ihre Finanzierungsmodelle entscheiden.

AUSGABEN

Die Zusatzbeiträge variieren stark. Sie beginnen im zweistelligen Bereich und reichen bis zu 800 Euro in bilingualen Krippen und Kitas. Da die meisten Berliner Eltern keine staatlichen Gebühren mehr zahlen müssen, haben sie ein größeres Budget für die Zusatzbeiträge „übrig“. Dies gilt bislang für die letzten drei Kitajahre und soll künftig auch für die Krippe gelten, wie die Koalition auf Vorschlag der SPD entschieden hat.

AUSEINANDERSETZUNG

Seit Langem will die Jugendverwaltung verhindern, dass die Kitalandschaft durch extrem hohe Zusatzbeiträge noch mehr als bisher in Arm und Reich auseinanderfällt. Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) wollte deshalb das neue Gesetz über den Wegfall der Krippengebühren dazu nutzen, ins Gesetz gleich noch hineinschreiben zu lassen, dass sie künftig die „zulässige Höhe dieser Zahlungen festlegen kann“. Dies sowie weitere Punkte im Gesetzentwurf wollte die CDU-Fraktion nicht mittragen, weshalb sie dem Entwurf am Donnerstag nicht zustimmte. Am Freitag war dann aber die Rede von „guten und lösungsorientierten Gesprächen“.

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