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Berlin: Krach um Kneipenlärm wird immer lauter

Nach dem Gerichtsbeschluss vergangene Woche mehren sich die Beschwerden von Anwohnern

Nachdem das Berliner Verwaltungsgericht in der vergangenen Woche den Straßenausschank in Friedrichshain nach 22 Uhr für teilweise rechtswidrig erklärte, weitet sich der Streit um nächtlichen Kneipenlärm nun auf weitere Bezirke aus. Nach Angaben des Anwalts Sebastian Bartels laufen mittlerweile Verfahren gegen Kneipen und Restaurants in der Pariser Straße (Wilmersdorf), Wiener Straße (Kreuzberg), Große Hamburger Straße (Mitte) und der Kopenhagener Straße (Prenzlauer Berg). Im Zusammenhang mit diesen Verfahren betreut Bartels nach eigenen Angaben zwanzig Mandanten, die die Gastwirte in diesen Bezirken verpflichten wollen, ab 22 Uhr ihren Straßenbetrieb einzustellen.

Grundlage des Rechtsstreits zwischen Anwohnern und Gastwirten ist die Berliner Lärmverordnung, die eine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr in der Frühe vorschreibt. Auch Gastwirte müssen sich an die Nachtruhe halten. In dieser Zeit darf in so genannten allgemeinen Wohngebieten wie der Simon- Dach-Straße ein Lärmpegel von 40 Dezibel nicht überschritten werden. Zum Vergleich: Läuft ein Fernseher bei Zimmerlautstärke, sind das etwa 60 Dezibel. Gut 50 Dezibel können bei einer normalen Unterhaltung zwischen zwei Personen über einen Tisch hinweg entstehen. Diese Nachtruhe können Gaststättenwirte jedoch mit einer extra beantragten Sondernutzungserlaubnis verkürzen. Wird sie genehmigt, dürfen Lokale und Imbisse auch nach 22 Uhr ihre Tische und Stühle auf die Straße oder in den Hof stellen. Die Gastwirte der Krossener und der Gabriel-Max-Straße in Friedrichshain hatten zwar diese Erlaubnis, doch das Berliner Verwaltungsgericht erklärte eben diese vergangene Woche für rechtswidrig.

Schon diesen gerichtlichen Beschluss erwirkte der Anwalt Sebastian Bartels. „In der Simon-Dach-Straße wurden bis zu 60 Dezibel gemessen“, sagt er. Dieser Geräuschpegel kann durch die Gespräche der Gäste, die Musik im Lokal oder den Lärm beim Wegräumen der Stühle entstehen. Laut Bartels sind die Wirte außerdem für den Lärm verantwortlich, den ihre Gäste beim Parkplatzsuchen und Ausparken ihrer Autos verursachen.

Klaus-Dieter Richter, Vizepräsident des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes, spricht sich trotz der Beschwerden von Anwohnern für eine generelle Verlängerung des Straßenausschanks bis Mitternacht aus. „Wir reden hier von durchschnittlich 50 Tagen im Jahr, an denen Gäste nach 22 Uhr überhaupt im Freien sitzen.“ Er weist auf die Schöneberger Akazienstraße hin, in der die Anwohner sommerlichen Straßenausschank auch nach Mitternacht tolerieren. „Wer in einen Kiez wie die Simon-Dach- Straße zieht, rechnet aber scheinbar nicht immer mit Kneipenlärm“, stellt Richter fest. Das Freizeitverhalten der Berliner habe sich jedoch dahin entwickelt, möglichst viel Zeit im Freien zu verbringen. Wer diesem Bedürfnis seiner Kundschaft nicht nachkomme, müsse mit Umsatzeinbußen rechnen. Für Richter ist noch ein weiterer Aspekt wichtig: „Wie soll Berlin seinen Touristen den Eindruck einer fortschrittlichen Großstadt vermitteln, wenn um 22 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden?“.

Aliki Nassoufis

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