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Weise Vögel?

© GeorgMoritz

Berlin: Krähen dürfen das

Mit einzelnen Attacken müssen die Berliner leben. Doch selbst Naturschützer sind sich nicht immer einig, wenn es um die Vögel geht

Krächzend, mit schwarzem Kopf und aschgrauem Gefieder sieht man sie scharenweise in den Parks nisten, sie durchwühlen Mülltonnen und töten kleinere Singvögel: Krähen. Wegen ihrer angeblichen Weisheit schrieb man ihnen in früheren Zeiten oft mystische Bedeutung zu. In der Gegenwart aber wird ihnen ihre Intelligenz meist negativ ausgelegt. Die großen Vögel gelten als bösartig oder hinterlistig – und auch für viele Berliner sind sie inzwischen ein echtes Ärgernis. Denn in letzter Zeit mehren sich die Beschwerden darüber, dass die Vögel immer aggressiver werden und sogar auf Menschen losgehen – scheinbar ohne ersichtlichen Grund. Gibt es eine Krähenplage in Berlin?

Erst am Montagmorgen attackierten mehrere Krähen Passanten in Adlershof. Der Grund: Ein Küken war aus dem Nest gefallen, woraufhin die Elterntiere Fußgänger, die unwissentlich an dem Jungvogel vorbei schlenderten, aus der Luft angriffen. Die Polizei, alarmiert von einem 61-jährigen Hausmeister, der selbst an den Ohren verletzt wurde, las das Küken auf und setzte es in einem nahegelegenen Waldstück aus.

Eine „überzogene Reaktion“ war das – zumindest für Anja Sorges, die Sprecherin des Naturschutzbundes (NABU) Berlin. Man könne nicht erwarten, dass Polizisten über das notwendige Fachwissen verfügten. Was also tun, wenn jedes Jahr im späten Frühjahr Angriffe von Krähen gemeldet werden – und zwar mitten in der Stadt? Grundsätzlich empfiehlt die Naturschützerin „einen großen Bogen um die Nester der Krähen“ zu machen. Schließlich könnten diese nicht einfach umziehen.

Eine andere Möglichkeit als auszuweichen bleibt den von Krähen Geplagten nicht. Denn der „corvus corone cornix“ steht, anders als etwa Tauben, unter Naturschutz. Eine Jagd auf Krähen ist untersagt. Selbst wenn sie an stark benutzten Wegen brüten oder, wie in Dahlem geschehen, Knochen hinter Autowischblätter klemmen, um sie zu bearbeiten, dürfen die Behörden nicht einschreiten.

Einer Untersuchung der Berliner Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft zufolge gibt es derzeit 3500 bis 5000 Brutpaare in Berlin. Tendenz steigend. Allerdings nisten im Winter deutlich mehr Krähen in Berlin als im Sommer, da viele Tiere wegen des größeren Nahrungsangebotes aus dem Umland nach Berlin kommen. „Besonders aggressiv sind Krähen aber nicht“, sagt der Ornithologe Rainer Altenkamp. Lediglich einen Monat nach dem Schlüpfen, während der so genannten Ästlingsphase, wenn die Küken ihr Nest verlassen, könnten Probleme auftreten.

Nähern sich nämlich Menschen in der Absicht, den wehrlos wirkenden Küken zu helfen, empfinden Altkrähen dies als Bedrohung für ihren Nachwuchs. Die Attacken auf Menschen dienen also eher der Arterhaltung, als dass sie Ausdruck übersteigerter Aggressivität sind. Der NABU Berlin schätzt, dass nur ein Prozent der 5000 brütenden Krähenpaaren in Berlin potenziell Menschen angreift.

Zu gesteigerter Vorsicht gibt es demnach keinen Anlass. Denn schon nach ein bis zwei Tagen sind die Jungen flügge - und die Elterntiere wieder friedlich.

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