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Kein seltener Vogel mehr. Nebelkrähen haben sich in Berlin stark vermehrt.

© picture-alliance/ dpa

Krähen in Berlin: Angriff von oben - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren wurden in mehreren Kiezen Menschen von Krähen attackiert – aus Angst um den Nachwuchs. Darauf sperrte die Polizei sogar Wege ab. Was Sandra Dassler damals darüber schrieb.

Von Sandra Dassler

„Halt Polizei!“ und „Tatort nicht betreten“ steht auf dem rot-weißen Flatterband. Der Tatort ist die Ein- beziehungsweise Ausfahrt zum Parkplatz vor der Stasi-Unterlagenbehörde in der Karl-Liebknecht-Straße 31. Tatzeit war der frühe Dienstagabend und die Täterin eine Corvus corone cornix, auf Deutsch: eine Nebelkrähe. Sie soll, so schildern es Augenzeugen, Passanten und Radfahrer angegriffen und gehackt haben.

Das tat wohl ziemlich weh, einige Opfer mussten sogar ärztlich behandelt werden – und so ist ein Teil des Gehweges und der Busspur vor der Zentralstelle der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes von der Polizei mit dem warnenden Flatterband versehen worden. Ein Din-A4-großer Zettel verkündet: „Achtung Aggressive Krähen“.

Die wenigen Passanten, die das Band und den Zettel überhaupt zur Kenntnis nehmen, schütteln die Köpfe oder tippen sich vielsagend an die Stirn. „Viele denken, das ist ein Witz, ausgerechnet hier“, sagt der Pförtner unten im Foyer. Er hat sich schon den ganzen Tag mehr oder weniger originelle Sprüche anhören müssen – Marke: „Da hat wohl der Klassenfeind mal wieder zugeschlagen.“

Dabei ist es doch nur Mai in Berlin, und wie jedes Jahr um diese Zeit häufen sich die Berichte über Krähen, die Menschen angreifen: So flog eine Krähe am Nollendorfplatz einem Mann von hinten auf den Kopf, und von der Parkanlage zwischen Reinhardt- und Schumannstraße am Deutschen Theater wurden bereits am 18. Mai mehrere Attacken gemeldet.

„Alles ganz natürlich“ erklärt Gertrudis Kinscher, die Sprecherin vom Berliner Naturschutzbund (Nabu): Im Mai sei der Krähen-Nachwuchs in der sogenannten Ästlingsphase. Die Jungvögel hätten das Nest verlassen und unternähmen erste Kletter- und Flugversuche. Dabei würden manche im Gebüsch oder auch auf Wegen landen, dabei aber weiter in Rufkontakt mit ihren Eltern stehen und von diesen auch noch gefüttert werden.

Wenn sich aber Menschen den Jungkrähen unwissentlich – oder um zu helfen – nähern, könne es passieren, dass dies ein Altvogel als Bedrohung seines Nachwuchses sehe und Angriffsflüge starte, um die Aufmerksamkeit vom Jungtier weg auf sich zu lenken, sagt Gertrudis Kinscher: „Deshalb sollte man scheinbar hilflose kleine Vögel nicht gleich aufheben, sondern abwarten, ob sie noch gefüttert werden.“

Gefahr im Anflug. Fußweg und Busspur vor der Stasi-Unterlagenzentrale in der Karl-Liebknecht-Straße wurden mit Polizei-Flatterband abgesperrt.
Gefahr im Anflug. Fußweg und Busspur vor der Stasi-Unterlagenzentrale in der Karl-Liebknecht-Straße wurden mit Polizei-Flatterband abgesperrt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vermeldet auf ihrer Internet-Homepage ein bis drei Krähen-Attacken auf Menschen im Jahr, was wohl ziemlich untertrieben ist. Denn in jedem Mai gibt es weitaus mehr entsprechende Berichte aus Mitte, Charlottenburg, Kreuzberg und anderen Bezirken Der Nabu schätzt, dass von den rund 5000 in Berlin heimischen Krähenbrutpaaren weniger als ein Prozent auch Menschen attackieren.

Wie alle Vögel in Berlin, außer den Stadttauben, sind Krähen geschützt. Ihre Schnäbel können aber gefährlich werden, sagt Carola R., die vor der Stasi-Unterlagenbehörde eine Zigarette raucht: „Mein Kater Kowalski, der immerhin elf Kilo auf die Waage bringt, wurde auf meinem Grundstück in Friedrichshagen von mehreren Krähen gejagt und gehackt und erlitt einen Sprung in der Schädeldecke.“

Dass Menschen durch die Angriffe der Vögel schwerere Wunden davongetragen hätten, ist bisher nicht bekannt. Trotzdem raten Polizei und Nabu, die Köpfe besonders bei Kindern durch Mützen oder Helme zu schützen. Glücklicherweise dauert die Ästlingsphase nur wenige Tage. Dann kehrt wieder Ruhe ein. Jedenfalls bis zum nächsten Mai.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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