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Krankenhäuser: Geburt fast ohne Betreuung

Mehr Babys, überlastete Kreißsäle: Pankow, Friedrichshain und Mitte können zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einen Geburtenüberschuss verzeichnen. Durch die knappe Personaldecke entstehen immer mehr Notsituationen.

Die Schwangere liegt geburtsbereit in den Wehen, die Schmerzen sind kaum noch auszuhalten. Die Stationshebamme eilt aber nur kurz in den Aufnahmeraum der Klinik und ist sofort wieder weg. Die Mutter muss ihr Baby fast allein zur Welt bringen. Dieser Albtraum passierte Anne Rohlfink (Name geändert) jetzt im Klinikum Friedrichshain. „Als ich Presswehen hatte, verabschiedete sich die Hebamme in den Schichtwechsel.“

Nach der Geburt hätten sich Krankenhausangestellte bei ihr für die schlechte Behandlung entschuldigt, sagt die 26-Jährige. Es habe sich allerdings leider nicht um einen Ausnahmefall gehandelt: „Die Hebamme sagte, das gehe schon seit Wochen so. Gleichzeitig mit mir haben dort wohl zehn Frauen entbunden, es gibt aber nur vier Kreißsäle.“ Nur zwei Hebammen seien für dieses Chaos eingeteilt gewesen.

Pankow, Friedrichshain und Mitte sind die geburtenstärksten Bezirke der Stadt, die 2007 zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einen Geburtenüberschuss verzeichnete. Schon seit einigen Jahren gebe es in den Kliniken jedoch zu wenige Hebammen, beklagt Ulrike von Haldenwang, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbands. 349 Hebammen waren 2007 in Krankenhäusern angestellt; hinzu kommen 706 selbstständige Hebam men. Im Schnitt betreue jede Hebamme in der Klinik 118 Geburten pro Jahr. „Damit bewegen wir uns ständig am Rande einer Notsituation“, so von Haldenwang.

„Viele Hebammen zerreißen sich zwischen Kreißsaal, OP und Aufnahme und haben keine Zeit für die Frauen“, sagt auch Edith Wolber vom Deutschen Hebammenverband, der kürzlich eine Briefkampagne startete, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Den Chefärzten sei die Lage bewusst: „Wir haben auf unsere Briefe viele sehr positive Antworten bekommen.“ Klaus Vetter etwa, Chefarzt des Vivantes Klinikums Neukölln und im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, sagt: „Wir wären daran interessiert, mehr Hebammen einzustellen.“ Die Kliniken müssten aber auch ihrerseits flexibel reagieren. Seine Klinik beispielsweise habe zwischen keiner und 24 Geburten pro Tag. Bereits bei der Anmeldung müsse darauf geachtet werden, dass nicht zu viele Frauen zugleich angenommen würden. Außerdem müsse man die Schwangeren gegebenenfalls an andere Kliniken vermitteln. Eine weitere Möglichkeit sei, mit freien Hebammen zu arbeiten.

In den vergangenen Jahren hätten die Abteilungen Geburtshilfe und Frauenheilkunde die geringste Auslastung überhaupt gehabt, sagt dagegen Regina Kneiding, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Wenn es zu wenig Personal gebe, liege das in der Verantwortung der Krankenhäuser.

Anne Rohlfink macht den Hebammen im Grunde keinen Vorwurf. „Die haben mir fast am meisten leidgetan“, sagt Rohlfink. Eher finde sie es von der Klinik verantwortungslos. Chefarzt Prof. Werner Mendling bestätigte die Darstellung im Wesentlichen: „Es sind zwei Hebammen pro Schicht, insgesamt arbeiten bei uns 16 Hebammen in drei Schichten, aber in den vergangenen Wochen sind vier gleichzeitig ausgefallen. Wir hatten keine Chance, so schnell Ersatz zu bekommen.“

Das Friedrichshainer Klinikum hat seit April eine modernisierte Wochenbettstation. Für dieses Jahr rechnet Chefarzt Mendling in Friedrichshain mit 2000 Geburten. Das Personal soll aufgestockt werden. Aber selbst dann sei das Geschehen auf einer Entbindungsstation unberechenbar: „Die Lage auf einer Geburtsstation kann sich in Minuten ändern, plötzlich bekommen drei Frauen zugleich ein Baby.“

Anne Rohlfink erzählt, ihr Baby sei um 22 Uhr da gewesen, aber sie habe erst um 4 Uhr morgens in ihr Zimmer gekonnt. Für die ärztliche Nachuntersuchung fehlte wieder eine Hebamme, und das Kind sei fünf Stunden alt gewesen, als es erstmals untersucht und gewogen wurde. In Friedrichshain sind laut Mendling zwei neue Hebammenstellen bewilligt worden; künftig sollen pro Schicht drei Hebammen im Einsatz sein. Für die Zwischenzeit ist eine Leasing-Hebamme eingestellt worden.

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