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Berlin: Krankenhaus AG als Allheilmittel

BERLIN .Die Berliner CDU will alle städtischen Kliniken unter dem Dach eines Krankenhausverbunds privatisieren.

BERLIN .Die Berliner CDU will alle städtischen Kliniken unter dem Dach eines Krankenhausverbunds privatisieren.Der Landesanteil am künftigen Trägermodell soll auf eine Sperrminorität von 25,1 Prozent begrenzt sein.Zunächst will man den derzeit zwölf städtischen Häusern mit über 10 000 Betten und rund 22 000 Mitarbeitern mehr unternehmerische Freiheit als bisher geben: als gemeinnützige Gesellschaften mbH innnerhalb einer Anstalt öffentlichen Rechts mit 49prozentiger Beteiligung der Landesbank Berlin sowie der Investitionsbank Berlin.Eine Aktiengesellschaft wird nach einer Übergangszeit von drei Jahren als langfristige Führungsebene der Heilstätten erwogen.

Staatlichen Einfluß auf den geringsten gesetzlichen Umfang beschränken, ein Höchstmaß an Eigenständigkeit der einzelnen Kliniken ermöglichen sowie "erworbene Rechte der Mitarbeiter" sichern, lauten Grundsätze des CDU-Konzepts, an dem Staatssekretär Detlef Orwat und der gesundheitspolitische Sprecher Ullrich Meier federführend mitarbeiteten.Für den wirtschaftlichen Erfolg seien jedoch Veränderungen des jetzigen öffentlichen Tarifvertrags nötig, etwa "modifizierte" Arbeitszeitregelungen und Altersversorgung sowie als neues Element Beteiligung der Mitarbeiter an Betriebserlösen.Bei drei der zwölf Stadtkliniken - den Krankenhäusern Prenzlauer Berg, Hellersdorf und Buch - sind indes separate Trägerwechsel im Gespräch.

Um Arbeitsplatzverluste infolge Bettenabbaus und Sparvorgaben der Krankenkassen abzumildern, sind zusätzliche GmbH und Beschäftigungsgesellschaften im Klinikverbund vorgesehen.Ambulante Krankenpflege, Krankentransport oder "fahrbarer Mittagstisch" gehören zu neuen Arbeitsfeldern des Klinikverbunds.

Der Kaufpreis für den Einstieg der Landesbank in den Klinikverbund soll nach CDU-Meinung nicht zur Sanierung des Landeshaushalts dienen, sondern für Investitionen in den Kliniken ausgegeben werden.Im Gegegenzug würden die Krankenhäuser drei Jahre lang keine öffentlichen Mittel beanspruchen.Erlöse aus Grundstücksverkäufen nicht mehr benötigter Klinikflächen nach Fusionen oder einzelnen Standortschließungen verbleiben gemäß dem CDU-Plan ebenfalls bei den Krankenhäusern.

Das CDU-Konzept zur Privatisierung in Etappen ähnelt einem Vorstoß des Paritätischen Wohlfahrtsverbands vom Herbst 1997, bei dem aber der vollständige Rückzug des Staates aus den Heilstätten gefordert worden war.Die Debatte wurde zuletzt durch das Klinik-Spargutachten angeheizt.Die Gutachter beziffern das theoretische Einsparpotential auf 700 Millionen Mark, wenn die Krankenhäuser komplett privatisiert würden.Deren Marktanteil beträgt derzeit rund 40 Prozent, das Jahresbudget liegt bei rund 2,2 Milliarden Mark.

Die Gewerkschaft ÖTV halte die Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts als neues Trägermodell für sinnvoll, erklärte ÖTV-Vizechef Ernst-Otto Kock.Wie bei Bäder-Betrieben oder Stadtreinigung könne diese Rechtsform zu mehr Wirtschaftlichkeit beitragen.Der Landeseinfluß dürfe aber nicht unter 50 Prozent sinken, weil sonst Profitinteressen der Kapitalgeber die Versorgung der Bevölkerung und soziale Sicherheit der Mitarbeiter gefährdeten.Die von der CDU geplante "schleichende" Privatisierung lehne man strikt ab: "Krankenhäuser dürfen nicht Profitunternehmen werden".Es gebe genügend Beispiele aus dem Bundesgebiet, daß Reformen "ohne privaten Crashkurs" gelingen könnten.

Klinik-Studie "nicht plausibel"

"Gegen-Gutachter" kritisiert im Auftrag der Ärztekammer Berlin

Im Auftrag der Berliner Ärztekammer hat der Klinikexperte Professor Michael Simon (Hannover) eine kritische Analyse des im August präsentierten Krankenhaus-Spargutachtens vorgelegt.Simon hält die Empfehlungen der Gutachter zu weitgehenden Einschnitten wie Schließung von sieben Krankenhäusern für sachlich nicht belegt.Bei den Kosten der einzelnen Kliniken seien beispielsweise nicht die tatsächliche Kosten verglichen worden, sondern Kalkulationspläne.Da zudem nicht näher untersucht wurde, ob besondere Behandlungsformen oder Versorgungsschwerpunkte Mehrkosten in einzelnen Fachabteilungen begründen könnten, seien die Kostenvergleiche nicht plausibel.Zudem seien Vergleiche Berliner Klinikpreise mit bundesweiten Kosten nicht redlich.Vergleichen könne man nur mit Stadtstaaten wie Hamburg.Hier liege Berlin nicht dramatisch über dem dortigen Niveau.Simon rügt die Verquickung statistischer Erhebungen mit politischen Wertvorstellungen. bk

Die städtischen Kliniken in Berlin beschäftigen rund 25 000 Menschen, die für 10 000 Betten zuständig sind.Ihr "Marktanteil" in der Stadt liegt bei 40 Prozent.Im einzelnen sind es die Krankenhäuser AVK in Schöneberg, Buch, Friedrichshain, Hellersdorf, Moabit, Neukölln, Prenzlauer Berg, Spandau, Reinickendorf, Urban in Kreuzberg, Wenckebach in Tempelhof und Zehlendorf.Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte die elf Häuser (von insgesamt 70 in Berlin) bereits im vorigen Jahr für 1,5 Milliarden Mark kaufen wollen.Das Geschäft sollte über die Berliner Landesbank finanziert werden, wobei nicht mehr benötigte Grundstücke langfristig verkauft oder bebaut werden sollten.

BERNHARD KOCH

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