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Kreuzberg: "Kotti": Aufgeputscht auch ohne Drogen

Grüne diskutierten über Junkies am Kottbusser Tor. Fazit: Es gibt ein Problem, denn die Abhängigen bedürfen einer umfangreichen Betreuung. Ein neuer Drogendruckraum ist noch immer nicht gefunden.

Von Sabine Beikler

Grünen-Politiker fordern eine schnelle Lösung im Umgang mit der Drogenszene am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Gestern Abend diskutierten Anwohner mit Landes-, Bundes- und Kommunalpolitikern im Festsaal Kreuzberg über die Drogenproblematik. Einen gemeinsamen Nenner hatte die von Parteichef Cem Özdemir moderierte Veranstaltung: Alle sind sich der Problematik am „Kotti“ bewusst, alle wollen gemeinsam nach Lösungen suchen und sich für einen neuen Drogendruckraum mit verlängerten Öffnungszeiten einsetzen. Ein geeigneter Platz dafür aber ist noch nicht gefunden. „Wir brauchen einen Ort für einen Drogendruckraum, eine bessere Betreuung für Junkies und Heroinsubstitutionsprogramme“, sagte Benedikt Lux, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus.

In den vergangenen Wochen war der Streit um die Drogenszene am „Kotti“ eskaliert und führte, wie berichtet, auch zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Grünen-Partei. Der Konflikt um den Umgang mit Junkies spitzte sich zu, als bekannt wurde, dass der jetzige Drogendruckraum in der Dresdener Straße Ende März schließen wird. Ende 2008 erhielt Bezirksbürgermeister Franz Schulz – auch er ein Grüner – einen offenen Brief von Anwohnern und Gewerbetreibenden. Die Adressaten schrieben unmissverständlich, dass sie der Entwicklung der Drogenszene nicht mehr tatenlos zusehen würden und politische Unterstützung erwarteten. Schulz erklärte die Drogenszene am „Kotti“ zur Chefsache. Runde Tische wurden gebildet, viele Gespräche mit Anwohnern geführt. Vor einer Woche demonstrierten 80 Kreuzberger – viele sind in der „Initiative Kottbusser Tor“ aktiv – gegen die Dealer. Bei der Protestaktion kam es zu heftigem Streit zwischen Kreuzbergern, die gegen eine Vertreibung der Junkies aus dem Kiez sind, und wütenden Anwohnern, die eine drogenfreie Umgebung wünschen. Nach diesem verbalen Schlagabtausch gingen die Kreuzberger auseinander – und der Streit eskalierte auf politischer Ebene.

Pikant ist, dass mehrere grüne Parteimitglieder involviert sind: Franz Schulz, Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Hasan Togrulca, Parteimitglied, Anwohner und aktiv bei der „Bürgerinitiative Kottbusser Tor“, sowie Cem Özdemir, Bundesparteichef und wie Togrulca Bewohner eines Hauses in der Kottbusser Straße. Bürgermeister Schulz kam auf die Idee, in besagtem Haus einen Drogenkonsumraum einzurichten, und appellierte recht deutlich an grüne Parteimitglieder, mit Blick auf die parteieigene Drogenpolitik wohlwollend die Etablierung eines Drogenkonsumraums zu prüfen. „Schulz ist sauer, weil er die Bürgerinitiative, bei der auch Grüne mitmachen, gegen seine Person gerichtet sieht“, sagen Parteimitglieder.

Rein rechtlich kann Schulz mit seinem Appell aber nichts bewegen: Die Hauseigentümer haben laut Auskunft von Togrulca die Räume, in denen noch ein kurdisches Café untergebracht ist, bereits weitervermietet. Die Bürgerinitiative ruft heute für 13 Uhr zu einer Kundgebung am Kottbusser Tor auf und will mit Gewerbetreibenden und Anwohnern diskutieren. Sabine Beikler

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