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Film ab – am Tresen. Schuffenhauer (l.) und Schwendner.

© Mike Wolff

Kreuzberger Filmkunstbar: Mit Haut und Haar dem Film verschrieben

Videothek und Kneipe in einem ist die Kreuzberger Filmkunstbar. „Bei uns ist es nicht cool und schick, sondern eher wie in einer Rumpelkammer", sagt der Betreiber.

Ein Besucher kriegt sich kaum noch ein, er zieht aus allen Ecken DVD-Hüllen hervor, um sie begeistert in die Luft zu reißen. Gerade ist er in der Horrorabteilung gelandet. Er hat sich einen Klassiker des Horror-Filmemachers Jörg Buttgereit geschnappt, „den gibt es nirgendwo zu einem vernünftigen Preis“, sagt er. Wenig später kramt er den wegen seiner rassistischen Inhalte umstrittenen Historienfilm „The Birth of a Nation“ aus dem Jahr 1915 hervor. „Der erste Skandalfilm der Geschichte“, sagt der Besucher.

Der Mann ist Kunde in der „Filmkunstbar Fitzcarraldo“. Inhaber der Bar sind Martin Schuffenhauer und Sebastian Schwendner. Gemeinsam haben sie sich auf eine Mission begeben: Sie wollen den Kunstfilm unter die Berliner bringen. Schwendner sagt: „Man muss die Filme nur richtig serviert bekommen, dann werden sie zu einem so inspirierenden Erlebnis wie ein Theaterbesuch.“ Also haben die beiden Ende vergangenen Jahres in Kreuzberg die Filmkunstbar eröffnet. Sie ist Kneipe und Videothek in einem, der Schwerpunkt liegt auf Avantgarde-Filmen, von der Stummfilmzeit bis heute, aus den verschiedensten Ländern.

Im Kellergewölbe geht es weiter: Zum Jahreswechsel hat Schuffenhauer die Videothek „Roderich“, die er bislang um die Ecke betrieben hatte, kurzerhand in seine Filmkunstbar umgelagert. Jetzt führen die Kellertreppen den Besucher in den „Goldenen“ und in den „Schwarzen Raum“, wo es unter anderem Autorenkino, Hollywood, Asia-Arthouse, Animationsfilme und schwul-lesbische Filme aus aller Welt gibt. Dass das Roderich umziehen sollte, stand schon seit längerem fest – Schuffenhauer liebt das Gespräch mit Filminteressierten, „deshalb möchte ich die Räume möglichst klein halten, um den intimen Rahmen zu begünstigen“, sagt er. Das Roderich war ihm zu groß, es soll jetzt behaglicher zugehen.

Viel Platz ist nicht in der Filmkunstbar Fitzcarraldo. Dennoch gibt es hier regelmäßig Veranstaltungen. Die barock tapezierten Wände mit den Arrangements an Plastikblumen und der Wolpertinger, der im Eck auf einem silbern gefärbten Baumstamm thront, haben schon viele Filmabende und Feiern mitgemacht. Ab und zu etwa gibt es einen Avantgardefilmabend, bei dem Besucher sich kostenlos von einem Kunstfilm überraschen lassen können. Manchmal ist „Grüne Stunde“, es wird dem Pariser Surrealismus gehuldigt – Absinth darf da nicht fehlen, den gibt’s an der Bar. Die beiden Betreiber waren sich „zu hundert Prozent“ einig, dass es hier familiär zugehen soll. Schuffenhauer sagt: „Bei uns ist es nicht cool und schick, sondern eher wie in einer Rumpelkammer. Da kann man sich entspannen.“

Den ersten Schwung von 10 000 Kopien ausgefallener Filme haben die beiden noch im alten Jahr bestellt, darunter die unbekannteren Filme von berühmten Regisseuren wie Roman Polanski und David Lynch. Auch Werke des amerikanischen Medienkünstlers Matthew Barney und des britischen Filmemachers Ken Russell sind darunter.

In der Filmkunstbar Fitzcarraldo hat man sich mit Haut und Haar dem Film verschrieben, selbst das Schild über der Eingangstür ist ein Filmverweis: Dort ragt ein altmodischer Kinderwagen aus der Wand – ein Fingerzeig auf eine berühmte Szene aus dem russischen Stummfilm „Panzerkreuzer Potemkin“. „Der Kinderwagen ist von meiner Tante“, sagt Schuffenhauer. Ob sie ihn wiederhaben will, weiß er nicht.

Filmkunstbar, Reichenberger Str. 133, www.filmkunstcafe.blogspot.com

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