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Berlin: Krieg der Gaukler

Am Los-Angeles-Platz wird wieder jongliert und gefeiert. Die Konkurrenz Unter den Linden ärgert sich

Wie zauberhaft so ein Sommer sein kann: Da spielt gestern sehr entspannend Geraldo Lucio dezenten Latin-Jazz. Die Sonne sticht, ein paar Palmen sind aufgestellt. Einige Zuhörer liegen in Hängematten, die sie kaufen können. Schließen die Augen, träumen vielleicht von der Copacabana, schauen statt auf Strände auf Stände mit Kunsthandwerkern oder Kräuterbonbons, hier und da wird jongliert. „Sommerzauber Berlin“ heißt das Fest.

Es mag an der Mittagszeit liegen, dass kein Besucherrekord aufgestellt wird. Es mag auch am Platz liegen, an den sich die Öffentlichkeit erst wieder erinnern muss. Vielleicht auch an den 2,50 Euro Eintritt. Das letzte Gauklerfest auf dem Los-Angeles-Platz vorm Hotel Steigenberger ist gut 15 Jahre her. Die Veranstaltung war Anwohnern zu laut, dem Hotel die Festlaune verdorben. Der Platz – grüner Deckel einer Tiefgarage – kümmert fortan unbeachtet vor sich hin. Gegaukelt wird seit 15 Jahren Unter den Linden.

Doch seit Freitagabend bis zum kommenden Wochenende, jeweils von mittags bis in den späten Abend, auch wieder in Charlottenburg. „Wir wollen eine alte West-Berliner Tradition wiederbeleben“, sagt Veranstalter Helmut Russ. Bewusst habe man sich für die City-West entschieden, nicht für den Gendarmenmarkt. In Mitte konzentriere sich ohnehin schon genug, sagt Russ. Er habe auch die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft City und des Europa-Centers, der Tourismus-Management-Gesellschaft. Um nicht an die alte Lärmdebatte zu erinnern, wurde ein „Fest der leisen Töne“ versprochen, mit Pantomime, Artistik, Clownerie, Kunst und Musik, fünf Bühnen und gehobener Gastronomie (Steigenberger ist Hauptinitiator).

Von Gaukeln will Russ eigentlich nicht sprechen. „Das passt mehr zu mittelalterlichen Märkten.“ Er habe sich aus nahe liegendem Grund für „Sommerzauber Berlin“ entschieden, weil er seit zwei Jahren ja auch den „Weihnachtszauber“ am Gendarmenmarkt in Mitte veranstalte. Mit seinem neuesten Zauber aber habe er sich leider auch Ärger mit dem Gauklerfest-Konkurrenten Christian Barthmann eingehandelt. Der beansprucht nämlich das Wort „Sommerzauber“ für sich. Hat sich, wie er gestern bestätigte, „die Rechte eintragen lassen“. Ein kleiner Krieg der Gaukler. Russ versichert, er habe von den Namensrechten des anderen nichts gewusst. Er wolle ihm doch nichts wegnehmen. Barthmann verstimmt weiter, dass da ein Konkurrent nach vielen Jahren eine Tradition aufzunehmen versucht, „ohne dass sich die Ursachen geändert haben“. Er glaubt nicht an ein leises Fest. Dann findet es Barthmann „ungut für die Stadt“, dass sich beide Feste am kommenden Wochenende überschneiden. Denn ab Freitag wird auch in Opernnähe Unter den Linden jongliert und gezaubert. Berlin, sagt der Gauklerfest-Organisator, brauche viele qualitätsvolle Feste, aber da müsse man sich schon ein bisschen abstimmen. Russ wiederum meint, er sei sich des Gauklerfest-Beginns nicht bewusst gewesen. Aber ein anderer Termin für den Sommerzauber hätte in diesem Jahr nicht mehr gepasst. Dass Barthmann in diesem Jahr sein letztes Gauklerfest Unter den Linden organisieren will, hat mit dem Rivalen nichts zu tun. „Es geht weiter, ich gebe nur aus Altersgründen auf“, sagt er, „jetzt sollen Jüngere ran“.

Derweil ist der Schleswig-Holsteiner Russ gespannt, wie sein Experiment in der West-City ausgeht. Er will die Gauklerfest-Rekorde aus den achtziger Jahren erreichen, mit bis zu 125 000 Besuchern. Beim ersten Mal wäre er schon mit 60 000 bis 80 000 zufrieden. Seit 25 Jahren veranstaltet er einen Weihnachtsmarkt bei Kiel – seit jüngerer Zeit eben auch den hiesigenWeihnachtszauber.

Dass sein Fest mittags mehr Besucher verzaubern könnte, bringt ihn nicht aus der Fassung. „Die Berliner stehen spät auf.“ Er selbst ist inzwischen hergezogen. Zur Studentenzeit wohnte er in einer Nachbarstraße vom Los-Angeles Platz. Zum Gauklerfest ging er nicht.

Christian van Lessen

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