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Berlin: Kriegsgefangene bei Eternit?: Baustofffirma beschäftigte im Zweiten Weltkrieg vermutlich doch Zwangsarbeiter

Die Deutsche-Asbestzement Aktiengesellschaft (DAZAG), aus der die Eternit Aktiengesellschaft hervorgegangen ist, hat sehr wahrscheinlich während der NS-Zeit in Berlin Zwangsarbeiter beschäftigt. Das geht nach Angaben des Historikers Bernhard Bremberger aus verschiedenen Unterlagen und Dokumentationen hervor.

Die Deutsche-Asbestzement Aktiengesellschaft (DAZAG), aus der die Eternit Aktiengesellschaft hervorgegangen ist, hat sehr wahrscheinlich während der NS-Zeit in Berlin Zwangsarbeiter beschäftigt. Das geht nach Angaben des Historikers Bernhard Bremberger aus verschiedenen Unterlagen und Dokumentationen hervor.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Heimatmuseums Neukölln stützt sich zum Beispiel auf einen Brief vom 21. Februar 1941, der auch dem Tagesspiegel vorliegt. Dort ist unter dem Briefkopf "Eternit. Deutsche Asbestzement-Aktiengesellschaft Berlin-Rudow" zu lesen: "Die Arbeitsgemeinschaft Rudow, die sich neu gründete mit dem Ziel, den Kräftebedarf ihrer Betriebe aus ausländischen Kriegsgefangenen sicherzustellen und der wir als Mitglied beigetreten sind, hat zur Einrichtung eines Gefangenenlagers das in unserem Besitz befindliche in Berlin-Rudow an der Köpenicker Strasse 39, 41, 43 und 45 belegene Grundstück von uns pachtweise erworben. Wir willigen hiermit ausdrücklich in die Ausnutzung des Grundstückes und Bebauung mit den zu einem Gefangenenlager gemeinhin gehörenden Bauanlagen ein."

Vor knapp zwei Wochen hatte Eternit im Tagesspiegel auf Anfrage mitgeteilt: "Wir haben uns mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt und zunächst recherchiert. Ergebnis: Durch Kriegseinwirkungen sind die meisten Personalunterlagen verlorengegangen; aus dem zur Verfügung stehenden Aktenbestand ist kein Hinweis auf eine Beschäftigung von Zwangsarbeitern zu entnehmen." Inzwischen hat das Unternehmen, das seit einigen Wochen Mitglied der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft ist, ein Schreiben des Heimatmuseums erhalten, mit dem Angebot, die entsprechenden Akten einzusehen. "Wir werden diese Möglichkeit auf jeden Fall nutzen, um Licht in die Sache zu bringen", sagte der Eternit-Generalbevollmächtigte, Rüdiger Schwarz. Auf keinen Fall wolle er ausschließen, dass es in der Firma oder auf deren Gelände Zwangsarbeiter gab. "In unserem Aktenbestand, der im Krieg weitgehend verloren ging, gibt es aber dazu keine Hinweise."

Bernhard Bremberger verwundert diese Auskunft. So wurden nach seinen Erkenntnissen noch vor wenigen Jahren Abschriften des Geschäftsberichts von 1943 angefertigt. Zudem gäbe es mehrere Dokumentationen zum Thema Zwangsarbeit bei Eternit. In einer Firmenchronik aus dem Jahr 1985 werde zum Beispiel ausdrücklich "die Errichtung von 3 Arbeitsdienst-Wohnbaracken, Typ RL IV und der Bau einer Waschbaracke für die ausländischen Arbeitskräfte (zuerst Italiener, später Ostarbeiter-Frauen)" erwähnt. Genaue Zahlen könne man ohne weiteres dem 1990 erschienen Buch "z.B. Asbest" entnehmen. Dort heißt es, im Juni 1942 hätten 100 Osteuropäer im Werk gearbeitet. Bis Ende 1943 sei ihre Zahl bis auf 263 gestiegen. Diese Angaben beruhen auf dem Geschäftsbericht der DAZAG von 1943.

Über die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter in den verschiedenen Lagern gibt es bisher keine konkreten Angaben, aber Hinweise. Im Neuköllner Heimatmuseum ist laut Bremberger zum Beispiel eine aussagekräftige Sterbeurkunde aus dem Jahr 1943 vorhanden. "Dieses Dokument beweist, dass zumindest 1943 polnische Frauen in dem Lager Köpenicker Straße gefangen gehalten wurden und dass ein dort geborenes Kind im August wenige Tage nach der Geburt starb." Der Standesbeamte trug damals als Todesursache ein: "fieberhafte Erkrankung, Kreislaufschwäche". Oft wurde mit dieser Formulierung während des Krieges die wahre Todesursache kaschiert: Verhungert.

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