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Berlin: Kriegsgegner mit Sprühdose

Zaun des Verteidigungsministeriums beschmiert / Keine Patrouillen, keine vollständige Videoüberwachung

Von Jörn Hasselmann

Unbekannte Täter haben vermutlich in der Nacht zu Sonnabend den Zaun vor dem Verteidigungsministerium mit Friedenszeichen und der Parole „No war“ bemalt. Fünf der sechs großen Steinsäulen, die den massiven Metallzaun am Reichpietschufer einfassen, wurden mit orangener Farbe besprüht. Der Bundeswehr selbst war dieses Werk von Militärgegnern gestern offensichtlich noch nicht bekannt. Sowohl der Feldjäger am Eingang als auch der Sprecher des Verteidigungsministeriums erfuhren erst vom Tagesspiegel davon. Zur Schadenshöhe und zur Frage, ob Anzeige erstattet wird, gab es am Sonntag keine Auskunft von der Bundeswehr.

Den Tätern fiel es offensichtlich leicht, nicht entdeckt zu werden, denn der Bürgersteig vor dem Ministerium wird nicht per Videokamera überwacht; die dort installierten Geräte filmen nur den Grundstücksstreifen zwischen Zaun und Gebäude. Dies bestätigte auch der Feldjäger, der gestern in der Zufahrt an der Stauffenbergstraße seinen Wachdienst versah – dorthin trauten sich die Schmierer nicht. Am Reichpietschufer drohen nur die bekannten Schilder mit der Aufschrift „Militärischer Sicherheitsbereich – Vorsicht Schusswaffengebrauch“. Doch das ist mehr oder minder eine leere Drohung, denn „die Zeiten, wo in Kasernen patrouilliert wurde, sind lange vorbei“. Das sagte gestern ein Bundeswehrsprecher. In vielen Kasernen wurden die Soldaten an den Eingängen längst durch private Wachschützer ersetzt.

Am Finanzministerium wären die Sprücheschreiber auf Video aufgenommen worden. Dutzende Kameras decken jeden Meter vor dem riesigen Gebäudekomplex zwischen Leipziger, Wilhelm- und Niederkirchnerstraße ab – und zwar auch den Bürgersteig. Auch der benachbarte Bundesrat filmt den Gehweg der Leipziger Straße. Selbst Firmen filmen inzwischen die Gehwege vor ihren Gebäuden, so zum Beispiel Sony am Potsdamer Platz. Dort sind Kameras auf die Entlastungsstraße und die Potsdamer Straße gerichtet. Hinweise auf diese Videokameras gibt es an keinem dieser Orte.

Die Überwachung öffentlichen Straßenlandes durch Kameras ist in Berlin seit langem umstritten. Im Polizeigesetz soll jetzt eine Änderung eingefügt werden, die das Anbringen von Kameras erleichtern soll. Mit dem neuen Paragrafen 24a soll es möglich sein, „gefährdete Objekte, aber auch Religionsstätten oder Friedhöfe durch den Einsatz von Videotechnik“ zu sichern. Die Überwachung darf sich künftig auch auf Grünflächen oder Straßen erstrecken, die an das gefährdete Objekt grenzen.

Diese Neuregelung sollte Ende Mai vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet werden. Dies scheiterte, wie berichtet, weil durch eine Panne zu wenig Abgeordnete der rot-roten Koalition an der Abstimmung teilnahmen. Einen neuen Termin für die Änderung des Polizeigesetzes gibt es noch nicht. Innensenator Körting hatte seinen Entwurf damit begründet, dass Gewaltdelikte besser unterbunden werden könnten. Auch Gebäude, die von Graffitischmierern oder Fensterscheibeneinwürfen bedroht sind, sollen mit Kameras geschützt werden dürfen. Zudem will der Senat Jüdische Mahnmale und Friedhöfe überwachen lassen.

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