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Berlin: Kriminelle Kinder in Heime? Richter dafür, Politiker dagegen Diskussion über den richtigen Umgang mit jugendlichen Intensivtätern

Für Justizsenatorin Karin Schubert ist „schlichtes Wegsperren keine Lösung“

Der erste Raub mit neun, die erste Körperverletzung mit zehn Jahren – kriminelle Kinder fallen zwar der Polizei und den Staatsanwälten auf, die sich um Intensivtäter kümmern. Von 200 noch nicht strafmündigen Dreizehnjährigen, die mit Körperverletzung und Raub aufgefallen waren, wußte die Staatsanwaltschaft 2003. Grenzen lernen diese Kinder mit 14 Jahren kennen – wenn sie zum ersten Mal vor dem Jugendrichter stehen. Andere Bundesländer haben zwischen Angeboten des Jugendamtes und dem Jugendgefängnis eine Lücke gesehen und geschlossene Heime wieder eingeführt.

Mancher Berliner Jugendrichter hält das für richtig. Wenn ambulante Hilfe nicht ausreiche, seien Heime der „letzte Anker“, der Jugendliche auf dem Weg in Richtung Schwerkriminalität und Jugendhaft noch bremseen könne, sagt Jugendrichterin Kirsten Heisig. Ihre Kollegin Andrea Bartl weist darauf hin, dass die Heime etwas bieten können und bieten müssen, was vielen kriminellen Kindern fehlte – stabile Bezugspersonen.

Heimerziehung ist in den meisten Bundesländern vor Jahrzehnten in Verruf geraten. Auch die Einweisungspraxis in der DDR sei manchen Straftätern noch anzumerken gewesen, sagt Andrea Bartl. Wenn Kinder ohne zuverlässige Beziehungen größer würden, bildeten sie nur geringes Einfühlungsvermögen aus. Unter solchen Umständen, sagt der Berliner Jurist und Kriminologe Johannes Münder, bringe die Einweisung in ein geschlossenes Heim bloß der Öffentlichkeit „ trügerische Sicherheit“.

Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) sieht die Familiengerichte in der Pflicht: „Wir haben Familienrichter, die den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht – und sei es auch nur vorübergehend – entziehen können, wenn die Erziehung offensichtlich Not leidend ist.“ Oft geschehe nichts, weil die „Behörden nicht eng zusammenarbeiten“. Von geschlossenen Erziehungsheimen hält die Justizsenatorin aber nichts. „Schlichtes Wegsperren ist keine Lösung“, sagt Justizsprecherin Andrea Boehnke. Auch bei den Berliner Jugendämtern sind geschlossene Heime nicht besonders angesehen. „Über Zwang ist eine Verhaltensänderung nicht durchsetzbar“, heißt es beim sozialpädagogischen Dienst in Neukölln. Bei den meisten Kindern und Jugendlichen greife das Netz aus ambulanten Beratungs- und Betreuungsangeboten.

In Hamburg ist man allerdings zufrieden mit der „geschlossenen Unterbringung“, die dort vor zwei Jahren wieder eingeführt wurde: 23 Minderjährige, die meisten mit einem Katalog von polizeilich festgestellten Delikten, sind dort durch Beschlüsse des Familiengerichts eingewiesen worden – in Heimen sollen sie lernen, wie man mit Regeln umgeht.

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