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Berlin: Kripo fürchtet eine WM der Taschendiebe

Polizei richtet zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 eigens eine Sonderkommission ein: Erwartet werden Tausende von Tricktätern

Tatort 100er Bus, Unter den Linden. Es ist Samstagabend, 18.40 Uhr, der Innenraum ist krachend voll mit Touristen. Mit an Bord des Doppeldeckers: Zwei Zivilpolizisten und zwei Männer, die „beruflich“ im Bus sind. Am Ende der Fahrt werden die vier Personen gemeinsam den Bus verlassen, ein 30-jähriger Mazedonier und ein 49-jähriger Israeli in Handschellen. Die Beamten hatten den richtigen Riecher und die Diebe beobachtet, wie sie einem Touristen das Portemonnaie stahlen. Die beiden Männer erhielten am Sonntag einen Haftbefehl – denn der 49-Jährige ist einschlägig bekannt und wird als professioneller Dieb eingestuft, der Mazedonier hat keinen festen Wohnsitz, deshalb besteht Fluchtgefahr.

Für die Polizei sind Tat und Festnahme in vielerlei Hinsicht exemplarisch: Gedränge, Touristen, professionelle Diebe – aber auch eigens geschulte Polizisten. Schon während des Turnfests mit seinen 100 000 Teilnehmern lockte das Gedränge die Täter. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Denn es werden eine Million Fußballfans in Berlin erwartet – und mehrere tausend Kriminelle aus aller Welt. Zum 1. Juli diesen Jahres wird deshalb in Berlin ein eigenes Fachkommissariat „Taschendiebstahl“ eingerichtet werden, bei der WM sollen gut 50 Fahnder im Einsatz sein. In Zivil sollen sie die Tätergruppen – häufig Südamerikaner und Osteuropäer, beobachten und beweissicher festnehmen. Denn erst wenn den Tätern bandenmäßiges Vorgehen nachgewiesen werden kann, erlässt ein Richter auch Haftbefehl. Wenn nicht, sind die Diebe am nächsten Tag wieder unterwegs. Die Diebstähle durch rumänische Banden, die häufig Kinder zum Klauen vorschickten, gingen zuletzt zurück.

Als Opfer sind besonders Japaner beliebt, weil die gerne einige tausend Euro in bar dabei haben. Die Banden erfinden immer neue Tricks. 2004 wurden 18 074 Taschendiebstähle angezeigt – und nur knapp 500 aufgeklärt. Zwei Drittel der Festgenommenen waren Ausländer, 24 waren Kinder. Die Beute betrug etwa vier Millionen Euro – sechs Mal so viel wie bei Banküberfällen. Beim letzten Weihnachtsgeschäft schätzte die Polizei die Zahl der Diebe auf 1000. Doch zur WM werden weit mehr erwartet. Mit Interesse gucken Berliner Polizisten im Sommer nach Köln. Für das katholische Weltjugendtreffen hat der Kölner Bundesgrenzschutz jetzt 100 Zivilfahnder geschult – um der erwarteten „Weltelite der Taschendiebe“ zu begegnen. Denn die Diebe reisen von Event zu Event. So wurden im vergangenen Jahr in Berlin bei festgenommenen Rumänen Flugtickets nach Athen gefunden – das war vor Beginn der Olympischen Spiele.

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