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Krisenstab: Ein Psychologe für 5000 Schüler

Seit der Bluttat von Erfurt hat Berlin einen anerkannten Krisenstab, aber bei täglichen Problemen sind die Schulen selbst gefragt. Den Kopfzerbrechen bereiten vor allem Mobbing, Konflikte und tägliche Gewalt. Die Zahl der Psychologen reicht nicht aus.

Sieben Jahre sind seit dem Amoklauf eines Schülers am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt vergangen – aber in Berlin hatte die Tat Folgen, die bis heute nachwirken. Der damalige Bildungssenator Klaus Böger (SPD) hat nach dem Schuldrama in Berlin ein festes Team von 15 Schulpsychologen eingerichtet. Sie sind speziell mit Gewaltprävention und Krisenintervention beauftragt und untereinander vernetzt. Und offenbar hat sich die damalige Entscheidung bewährt.

„Im Bereich der Gewaltprävention ist Berlin gut aufgestellt“, lobt Klaus Seifried vom Berufsverband deutscher Psychologen. Auch der Notfallplan, der damals erstellt und an alle Schulen verteilt wurde, sei so gut, dass er „von anderen Bundesländern kopiert“ werde. Unter dem Eindruck von Erfurt wurden in das Konzept auch Verhaltensregeln für den Fall eines Amoklaufs aufgenommen. Auf drei Seiten werden Anweisungen für den Ernstfall gegeben. Der Plan sieht Warndurchsagen über Lautsprecher vor, Schüler und Lehrer werden zum Verbleib in den geschlossenen Klassenräumen aufgefordert.

Wie Schulen mit dem Notfallplan umgehen und seine Handhabung einüben, ist allerdings letztlich ihnen selbst überlassen. „Die komplette Schulleitung und die Sekretärin wissen Bescheid“, berichtet etwa Jochen Pfeifer, Direktor des John-Lennon-Gymnasiums in Mitte.

Was den Schulen mehr Kopfzerbrechen bereitet als ein möglicher Amoklauf sind allerdings die täglichen Konflikte mit schwierigen Schülern, mit Gewaltvorfällen und Mobbing, Drogen – und mit Eltern, die sich um die Belange ihrer Kinder nicht kümmern. Angesichts der Fülle von Problemen mit heranwachsenden Schülern sieht Seifried es als dringend geboten, an jeder Schule einen Schulpsychologen zu haben – so, wie es nicht nur in Skandinavien, sondern auch in Russland und den USA üblich ist.

Davon ist Berlin weit entfernt. Hier müssen sich – rein rechnerisch – 5000 Schüler einen Psychologen teilen, denn für alle rund 950 Schulen stehen nur 88 Fachleute bereit. Zwar betont die Bildungsverwaltung, dass es „in dringenden Fällen“ keine Wartezeit gebe. Zudem könnten Brennpunktschulen regelmäßige Kontakte vereinbaren. Das aber werde dem Bedarf nicht gerecht, sagt Seifried, der für die Schulpsychologie in Tempelhof-Schöneberg zuständig ist.

Viele Schulen behelfen sich angesichts wachsender Probleme selbst – etwa mit Elternkursen. Väter und Mütter sollen für die Probleme ihrer Kinder sensibilisiert werden und auch erfahren, was sie selbst tun können; etwa, um zu verhindern, dass ihre Kinder täglich stundenlang vor Gewaltspielen am Computer sitzen. Überdies setzen Grundschulen vor allem auf das „soziale Lernen“ und stellen dafür speziell Zeit im Stundenplan zur Verfügung. Mitunter werden diese Ansätze auch von Konfliktlotsen- und Buddy-Programmen flankiert.

„Es ist wichtig, sofort zu reagieren“, betont Thomas Hungs, Leiter des Lichtenrader Ulrich-von-Hutten-Gymnasiums. Wenn ihm ein Vorfall zu Ohren komme, hole er Opfer und Täter noch am selben Tag zu sich, um „auf Augenhöhe“ mit ihnen zu sprechen. Niemand dürfe ausgegrenzt werden, „sonst produziert man Steinhäusers“ , sagt Hungs in Anspielung auf den Erfurter Amokläufer von 2002.

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