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Der Regierende Bürgermeister von Berlin und Spitzenkandidat Michael Müller (SPD) hält am 18.09.2016 nach ersten Ergebnissen zu der Abgeordnetenhauswahl in Berlin eine Rede.

© dpa

Kritik von der Parteilinken: Unzufriedenheit in der Berliner SPD mit Müller wächst

Ein Teil der Partei ist wegen Michael Müllers „One-Man-Show“ verärgert. Außerdem gibt es Kritik am alten Personal für den neuen Senat.

Von Sabine Beikler

SPD-Parteichef Michael Müller gerät unter Druck. Nach der heftigen Auseinandersetzung am Donnerstag im geschäftsführenden Landesvorstand über die Personalie des Landesgeschäftsführers kritisiert die Parteilinke die „One-Man- Show“ Müllers. In einer Versammlung der Parteilinken am Freitagabend im Rathaus Tiergarten forderten Mitglieder, Müller müsse den Posten des Landesgeschäftsführers ausschreiben. Ein führender Parteilinker will das für alle Stellen in der Landesgeschäftsführung, wie er dem Tagesspiegel sagte.

Wie berichtet eskalierte die Vorstandssitzung laut übereinstimmenden Äußerungen von Sozialdemokraten, als es um die Frage ging, wer dem amtierenden Landesgeschäftsführer Dennis Büchner folgen solle. Vizeparteichefin Iris Spranger forderte eine Findungskommission, statt Müller die Entscheidung zu überlassen. Dem platzte dem Vernehmen nach der Kragen. Er soll sinngemäß gesagt haben, er wolle sich seinen Landesgeschäftsführer selbst aussuchen, sonst könne sich die Partei „gleich zwei neue Leute suchen“.

Parteilinke: "Start ist mehr als gefährlich"

Der Start der rot-rot-grünen Regierung ist überlagert von dem Ermittlungsverfahren gegen den Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD), wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Dabei geht es um eine umstrittene Kooperation mit der Unternehmensberatung McKinsey. Die Senatskanzlei will sich zu den Ermittlungen nicht äußern.

Die Parteilinke merkt an, dass so ein „Start mehr als gefährlich ist“. Aber sie fordert (noch) keine personellen Konsequenzen. Die Kritik zielt auf das Besetzungsverfahren ab – und das Personaltableau von Müller. „Mit dem alten Team weitermachen geht gar nicht“, hieß es. Dieselben Politiker seien mitverantwortlich für das schlechte Wahlergebnis der SPD von 21,6 Prozent. Eine Trendumkehr werde mit dieser Senatsbesetzung nicht möglich sein. „Da überschätzt sich einer ganz gewaltig“, sagte ein Spitzenmann und meinte damit Müller.

Michael Müller, der am 8. Dezember als Regierender Bürgermeister wiedergewählt werden soll, hält an seiner bisherigen Senatorenriege fest. Andreas Geisel, bisher Stadtentwicklung, soll das Innenressort übernehmen. Die bisherige Arbeitssenatorin Dilek Kolat übernimmt Gesundheit und Pflege. Sandra Scheeres behält die Verantwortung für Schule, während Müller selbst Wissenschaft und Forschung übernimmt. Und Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bleibt Finanzsenator. Die Parteilinke sagt hämisch, dass darunter offenbar „Allroundtalente“ seien, und nennt Geisel und Kolat. Die Personalie Geisel war in der Partei schon vor der Wahl umstritten. Manche stoßen sich daran, dass er trotz vieler Ankündigungen in der Bau- und Wohnungspolitik wenig vorangebracht hat.

Andere nehmen ihm übel, dass er sich für Radfahrer erst interessierte, als das Volksbegehren erfolgreich startete. Eine Spende des Bauunternehmers Klaus Groth für die Lichtenberger SPD und die zuvorkommende Behandlung eines privaten Investors am Leipziger Platz regten dann auch Genossen auf, die mit Geisel bis dahin wenig Probleme hatten. Der Streit um die Mieterräte in den städtischen Wohnungsunternehmen, gekrönt vom Versuch, eine kritische Berichterstattung zu verhindern, brachte dem Senator weitere Minuspunkte ein.

SPD hat keine Gestaltungsressorts mehr

Auf weniger Kritik stößt bei den linken SPD-Genossen, zu denen rund 1000 von etwa 17 000 Berliner Sozialdemokraten zählen, zwar Müllers Plan, Dilek Kolat im Senat zu halten. Doch trotzdem heißt es, die Vorsitzende von Müllers SPD-Heimatkreisverband Tempelhof-Schöneberg könne nach Arbeit, Integration und Frauen nun wohl „plötzlich auch Gesundheit und Pflege“. Allerdings wird anerkannt, dass sie eine wichtige sozialdemokratische Frau im Senatorengefüge ist.

Generell ärgert sich die Parteilinke darüber, dass die SPD keine Gestaltungsressorts mehr hat, und zielt vor allem auf Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr. Diese Bereiche gehen an die Linkspolitikerin Katrin Lompscher (Bauen und Wohnen), während Verkehr, Umwelt und Klimaschutz von Regine Günther (parteilos, für Grüne) übernommen werden sollen. Geplant ist, dass alle Senatoren am kommenden Donnerstag nach der Wahl Müllers im Roten Rathaus ernannt und dann vom Parlamentspräsidenten Ralf Wieland (SPD) vereidigt werden.

Davor aber stehen wichtige politische Termine an. Am Montag soll der Koalitionsvertrag auf einem SPD-Parteitag verabschiedet werden. Auf dem Plan stehen dort Reden von Müller und SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Eine Aussprache ist angekündigt – und die Parteilinke wird sich wohl auch äußern wollen. Am Tag danach stellt Müller seine Personalvorschläge formell auf einer gemeinsamen Sitzung von Landesvorstand und Fraktion vor.

Am Mittwoch wird bei der Linkspartei der Mitgliederentscheid ausgezählt: Dem Vernehmen nach dürfte das Quorum von 25 Prozent Teilnahme aller 7300 Mitglieder in Berlin schon erreicht sein. Es gilt als sicher, dass sich die Mehrheit für die Annahme des Koalitionsvertrags ausspricht.

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