zum Hauptinhalt
Stimme für Stimme. Eine Mitarbeiterin des Wahlamts im Rathaus Neukölln prüft die Unterschriften.

© Mike Wolff

Auswertung der Unterschriftenlisten zum Tempelhofer Feld: Krickelkrakel bei der Volksabstimmung

Rätselraten in den Wahlämtern der Bezirke: Die Stimmen für das Volksbegehren zum Tempelhofer Feld werden geprüft und ausgezählt. Nicht immer eine einfache Aufgabe für die Sachbearbeiter. Viele der Stimmen können nicht gewertet werden.

Ayer oder Ager? Marienstraße oder Marthastraße? Die 5 im Geburtsdatum könnte auch eine 2 sein. „Da beginnt dann das Ratespiel“. Gabriele H. macht Raten Spaß. Sie ist eine von drei Sachbearbeiterinnen, die im Wahlamt Neukölln die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren zum Tempelhofer Feld prüfen. Jede Krakelei wird dort entziffert, jede Wohnadresse im Melderegister abgeglichen. Nur wenn alles stimmt, spuckt der Computer ein „gültig“ aus, Frau H. macht ein Kreuz zur Bestätigung, drückt einen Datumsstempel aufs Papier, setzt ihr Kürzel drunter und am Schluss noch ihr Siegel. Dann ist der Bogen zu einem amtlichen Dokument veredelt.

Alle zwölf Wahlämter in den Bezirken sind mit dem Abarbeiten der Listen beschäftigt. Eine Sisyphosarbeit im Auftrag der Demokratie. 233 000 Mal lesen, eintippen, vergleichen, Kreuzchen machen, abstempeln. Steht das Kreuzchen bei „ungültig“, muss noch eine Begründung notiert werden. Später wird die Tagesstatistik gemacht und zum Landeswahlleiter durchgegeben.

18 Prozent der Unterschriften zum Volksbegehren werden aussortiert

Die Rate ungültiger Unterschriften liegt bei diesem Volksbegehren besonders hoch, derzeit erreicht sie rund 18 Prozent, Tendenz steigend. Viele Touristen haben unterschrieben, die hier nicht wahlberechtigt sind und laut Abstimmungsgesetz nicht mitmachen dürfen. Ebenso wenig, wer noch keine drei Monate in Berlin lebt. Wer Vornamen oder Geburtsdatum nicht angegeben hat, fliegt aus der Zählung. Auch Unterstützer, die Fantasienamen erfinden. Oder Mehrfachunterschreiber. Unentdeckt bleiben nur Fälscher, die mal eben für einen Freund oder die Schwester ausfüllen und in deren Namen unterschreiben.

Einige hundert Unterschriften schaffen die Neuköllner Wahlamts-Frauen jeden Tag. 7000 liegen noch vor ihnen, bis zum letzten Abgabetermin an die Landeswahlleiterin am 27. Januar. Damit sie an der Menge nicht verzweifeln, helfen gelegentlich die Kollegen aus dem Bürgeramt aus.

Unleserliches ist ungültig

Was Druckbuchstaben sind, scheint bei vielen Berlinern in Vergessenheit geraten zu sein. Auf einigen Bögen ist noch der Kaffee zu sehen, der mal darauf verschüttet wurde. Möller oder Müller? Ist die Adresse dechiffrierbar, lässt sich das noch klären. Früher, erzählt Gabriele H. galt die Ansage: Was unleserlich ist, wird für ungültig erklärt. Doch inzwischen hätten sich die Vorgaben geändert. Mit Hilfe der Software lassen sich auch Krakelnamen zuordnen.

Friedrichshain-Kreuzberg möchte das Abstimmungsgesetz ändern, um den Aufwand beim Prüfen der Unterschriften für Volksinitiativen und Volksbegehren zu reduzieren, aber bislang gebe es noch keinen entsprechenden Gesetzentwurf, sagt Geert Baasen vom Büro der Landeswahlleiterin. Bisher müssen alle Unterschriften, die fristgerecht eingegangen sind, auch geprüft werden. Die Bezirke würden gerne nur so lange prüfen, bis die Mindestzahl von rund 174 000 gültigen Unterschriften erreicht ist. Bringt ein Volksbegehren weniger Unterschriften zusammen, solle die Prüfung ganz wegfallen.

Online-Abstimmungen als Alternative?

Es gebe auch Überlegungen, Unterschriften künftig vor allem über das Internet zu sammeln und die Prüfung der Software zu überlassen, sagt Baasen, aber dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Piraten experimentieren mit Online-Abstimmungen, aber viele Menschen lassen sich nur im direkten Gespräch mit einem Aktivisten zu einer Unterschrift bewegen.

Gabriele H. vom Neuköllner Wahlamt beginnt jetzt neben der Prüfung des Volksbegehrens mit der Vorbereitung der Europawahl am 25. Mai. Da müssen Wahlhelfer angeschrieben und Listen der Wahlberechtigten vorbereitet werden. Eine Menge Arbeit. Da wäre es hilfreich, sagt die Leiterin des Bürgeramtes, Andrea Lange, wenn ein möglicher Volksentscheid auch auf diesen Termin fiele. Das entscheidet letztlich der Senat. Beim Volksentscheid zum Stromnetz im Herbst 2013 hatte der Senat die Koppelung mit der Bundestagswahl abgelehnt, offenkundig aus politischen Gründen. Die Mehrkosten für zwei Urnengänge trug der Steuerzahler.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false