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Das geweihte Kreuz im Fraktionsraum der CDU im Landtag in Potsdam

© Hirschberger/dpa

Kruzifix-Streit in Potsdam: Und wer nimmt jetzt das Kreuz von der Wand?

Magnete dran, Kreuz ab? Der Streit um das Kreuz im Fraktionssaal der CDU im Landtag Brandenburg nimmt absurde Züge an.

Die Sache mit dem Kreuz hängt der CDU noch immer nach. Vor allem wegen des Umgangs. Es geht um das Kreuz im Fraktionssaal der Oppositionsfraktion im Landtag. Wie berichtet war es auf Weisung der Landtagsverwaltung durch Mitarbeiter des Gebäudebetreibers BAM abgenommen worden. Magnete kamen ans Kreuz, Magnete wurden in der Wand versenkt. Jetzt hängt das Kreuz wieder – und doch ist alles anders.

In der CDU-Fraktion stapeln sich die Briefe, es gibt per E-Mail zahlreiche Anfragen und Beschwerden, was das alles solle. Denn viele haben einiges missverstanden, als vor einer Woche der Fall publik wurde. In den Zuschriften empören sich Menschen aus der gesamten Bundesrepublik darüber, wie es denn sein könne, dass die CDU einfach ein Kreuz von der Wand nehme, jenes, das für das große C im Namen der Partei steht. Dabei war es gar nicht die CDU. Ganz im Gegenteil: Die wundert sich auch, warum ihr das angehängt wird. Am Ende erscheint die ganze Geschichte völlig absurd.

Zur Erinnerung: In ihrem Fraktionsraum, im Dachgeschoss des Parlamentsschlosses in Potsdam, hing seit dem Einzug in den neu errichteten Bau im Januar 2014 ein schlichtes Holzkreuz. Fraktionsmitglieder waren vor drei Jahren zur Generalaudienz in den Vatikan gereist, um es von Papst Franziskus segnen zu lassen. Es ist dasselbe, das auch schon im Fraktionssaal auf dem Brauhausberg im CDU-Saal an der Wand hing. Auf der Rückseite gibt es extra ein Loch, um das Kreuz an einem Nagel an die Wand zu hängen. Doch Nageln ist in dem modernen Bau mit Schlossfassade nicht erlaubt. So hat es die BAM Immobiliendienstleister verfügt. Sie betreibt das Gebäude im Auftrag des Baukonzerns BAM für 30 Jahre. In den Wänden ist sensible Technik verlegt worden, Kabel, Leitungen der Klimaanlage. Bilder sollten deshalb, so wurde es beim Einzug des Parlaments festgelegt, an einer eigens dafür angefertigten sogenannten Galerieschiene hängen.

Ein Kreuz an Strippen? Da weigert sich die CDU

Die CDU aber weigerte sich, ihr Kreuz an Strippen der Galerieschiene baumeln zu lassen. Dieter Dombrowski, Katholik und damals Fraktionschef, fand mit dem damaligen Landtagspräsidenten Gunter Fritsch (SPD) eine Lösung. Von Fritsch sind die Worte überliefert: „Bohren dürfen wir nicht, Nageln dürfen wir nicht, von Kleben hat keiner was gesagt.“ Das Kreuz kam mittels Klebe-Haken an die Wand. Allerdings, so sagte es damals, Anfang 2014, eine Landtagssprecherin, müsse das Kreuz abgenommen werden, wenn Ausschüsse im CDU-Saal tagen.

Doch gestört hat sich an dem Kreuz dann niemand mehr, es hing, hing und hing. Bis im Frühjahr dieses Jahres ein Besucher jüdischen Glaubens aus Süddeutschland den Saal betrat. Er sei von einem Mitarbeiter der Linksfraktion durch das Parlamentsgebäude geführt worden, eben auch in den CDU-Fraktionssaal mit dem Kreuz. Der Besucher schrieb anschließend einen wütenden, mehrseitigen Brief an den Landtag. Juristisch alles sehr klar: Wegen des Neutralitätsgebots des Staates dürfen in staatlichen Einrichtungen keine religiösen Symbole an der Wand hängen, bestätigt vom Bundesverfassungsgericht, das einmal über Kruzifixe in bayerischen Schulen urteilte.

Schon vor fünf Jahren gab es Streit ums Kreuz

Schon einmal hatte sich der Landtag damit befasst, das war im Jahr 2011. Damals hatte sich der Ex-Abgeordnete Peer Jürgens, der heute Mitarbeiter der Linksfraktion ist, beschwert, weil er mit seinem jüdischen Glauben in einer Ausschusssitzung im CDU-Saal unter dem Kreuz sitzen musste. Er forderte: Hängt das Kreuz ab. Selbst in seiner Fraktion fanden das einige überzogen. Der Landtag fand eine Lösung, Ausschüsse tagten fortan nicht mehr bei der CDU unterm Dachboden. Eine pragmatische Lösung, befanden die Fraktionen. Zumal Jürgens der Einzige war, der sich daran störte und das Abhängen verlangte, was nach dem Urteil aus Karlsruhe sein gutes Recht ist. Der heutige Linke-Landeschef und damalige parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Christian Görke meinte damals: „Diesen Streit haben wir nicht nötig.“ So geht das eben in Brandenburg, Streit lösen, keinem wehtun. Der Fraktionssaal der CDU wird auch für andere Veranstaltungen genutzt. Aber nur für das Kreuz wurden keine Ausschüsse verlegt. Denn gestört hat sich lange niemand am Kruzifix.

Die CDU stört sich nun vor allem am Vorgehen der Landtagsverwaltung, nachdem es den Beschwerdebrief und angeblich einige mündliche Beschwerden über das Kreuz gab. Der Landtagssprecher sagt, die CDU-Fraktion, besser deren Geschäftsführer, sei darüber informiert worden, dass das Kreuz vom Klebehaken müsse. Die Fraktion widerspricht: Es habe Mitte, Ende Mai nur einen Anruf aus der Landtagsverwaltung gegeben – zu dem Besucher und dessen Beschwerdebrief. Demnach habe die Landtagsverwaltung einen unaufgeregten Antwortbrief verfassen wollen, die ganze Angelegenheit etwas tiefer hängen.

Gesegnet wurde das Kreuz vom Papst

Von anderen Schritten sei nicht die Rede gewesen, heißt es bei der CDU-Fraktion. Nicht von einem Bautrupp, der anrücken wird. Nichts davon, dass sich jemand ohne Einverständnis zu schaffen macht an fremdem Eigentum, nämlich an dem der Christdemokraten. Auch nichts von den Magneten, die an das vom Papst gesegnete Kreuz geklebt werden. Und erst recht nichts davon, dass die Wand aufgestemmt wird und darin ebenfalls Magneten versenkt werden. Ausgerechnet jene Wand, in die nie und nimmer ein Nagel gehämmert werden durfte, wegen der Technik und so. Ausgerechnet für jenes Kreuz, das da hing an einem Klebehaken.

Der Gebäudebetreiber, also die BAM, hat sich übrigens inzwischen entschuldigt bei der CDU für den Umgang mit dem gesegneten Kreuz. Denn, so viel steht fest, da lief wohl einiges schief in der Kommunikation. Ein riesiger, teurer Aufwand für: nichts. Denn seit der schriftlichen Beschwerde des Besuchers, der von einem Mitarbeiter der Linksfraktion umhergeführt wurde, gab es keine Beschwerden mehr. Und auch das Kreuz, jetzt mit Magnet, musste seither nicht von der Wand genommen werden.

Nur was passiert, wenn das Kreuz doch noch einmal runtermuss, ist noch nicht geregelt: Legt es ein BAM-Mitarbeiter einfach in einen Schrank im Fraktionssaal oder wird die CDU-Fraktion angerufen, sie möge ihr Eigentum von der Wand nehmen? Aus der Landtagsverwaltung hieß es, man müsse ja nicht alles bis ins Letzte regeln.

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