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Hereinspaziert. Klaus Wowereit wird im Roten Rathaus mit sieben neuen Kollegen regieren. Bislang ist nur eine Frau als Senatorin fest gesetzt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Künftiger Senat: Wowereit tauscht die Mannschaft aus

Klaus Wowereit und Frank Henkel wiegeln jegliche Spekulation ab. Aber es zeichnet sich schon ab, wer am Senatstisch Platz nehmen könnte - und um welche Posten es noch Gerangel gibt.

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Inneres und Sport

Der neue Innensenator sollte Frank Henkel heißen – davon geht man in der Berliner CDU aus. Die Sicherheits- und Innenpolitik war Henkels erstes Aktionsfeld, nachdem er im November 2001 Abgeordneter geworden war. Seit damals graut manchem Grünen vor dem CDU-Mann, der damals gerne polarisierte und politisch ein wenig grob werden konnte. Die innere Sicherheit gehört zu den letzten Resten eines noch erkennbaren CDU- Markenkerns. Darauf hat Henkel im Wahlkampf gesetzt – rhetorisch und mit dem Plakat, das zu einem verbrannten Auto die Frage stellte: Muss Berlin das verstehen? Henkel wird wissen, dass er als Innensenator mit rhetorischem Gegenwind von Links zu rechnen hat, womöglich auch mit Versuchen, ihn etwa am 1. Mai als politisch unfähig erscheinen zu lassen. Damit muss er umgehen. Politisch hat Henkel für „Law and Order“ durchaus etwas übrig, aber er ist darauf nicht fixiert. Dafür ist er viel zu sehr ein politischer Generalist.

Justiz und Verbraucherschutz

Gerissen hat sich die CDU nicht um die Justiz – das Ressort gehört, Gisela von der Aue weiß es aus Erfahrung, zu denen, die weniger Ruhm als Ärger verheißen. Je weniger man von der Justiz und vom Justizsenator hört, desto besser funktioniert das Rechtswesen. Juristen gibt es genug in der Berliner CDU, um dem Ressort ein Gesicht zu geben, womöglich auch ein weibliches. Doch Cornelia Seibeld, Rechtspolitikerin der Fraktion, Mitglied der mächtigen Südwest-CDU und eine der Unterhändlerinnen in den rot-schwarzen Gesprächen, hat sich mit Blick auf ihr zehn Monate altes Kind um das Amt gar nicht erst beworben, sondern „andere Prioritäten gesetzt“, wie sie sagt. Und von Michael Braun, dem Kreischef ebenjener mächtigen Südwest-CDU, sagen Parteifreunde, die es wissen müssen, er würde lieber der nächste Chef der CDU-Fraktion als Senator werden. Womöglich wird aber die Pflicht mehr gelten als persönliche Wünsche – zumal Braun zu den engsten Vertrauten Henkels gehört und angeblich so ziemlich der einzige ist, der Henkels geheime Senatorenliste kennt. Dabei ist diese Männerfreundschaft noch gar nicht so alt. „Die beiden haben sich mal in die Augen geguckt“, sagt ein Insider – und seitdem läuft es im CDU-Präsidium wie in der Fraktion störungsfrei. Womöglich guckt Henkel nun Braun noch mal in die Augen und sagt: „Du musst.“ Vielleicht gewinnt der Mann aus Berlin auch jemand Rechtskundigen von außen.

Finanzen

Ein klassisches Querschnittsressort, das mit Hilfe des knappen öffentlichen Geldes auf alle Bereiche der Politik und Verwaltung maßgeblichen Einfluss ausübt. Klaus Wowereit hätte diesen Kabinettsposten niemals aus der Hand gegeben. Zumal der parteilose Unternehmer und Finanzsenator Ulrich Nußbaum, der 2009 als Nachfolger von Thilo Sarrazin (SPD) aus Bremen nach Berlin wechselte, eine Person seines Vertrauens ist. Nußbaum wird das Amt behalten. Die Finanzbehörde erstellt und überwacht den Landeshaushalt und die Finanzplanung, auch wenn das Parlament über das Budgetrecht immer das letzte Wort hat. Außerdem kontrolliert die Finanzverwaltung die landeseigenen Unternehmen und Immobilien, beaufsichtigt als Dienstherr die Finanzämter und kümmert sich auch um die Personalpolitik des Landes Berlin.

Wirtschaft, Technologie und Forschung

Das Ressort liegt der CDU. Man erinnert sich an den ehemaligen „Zukunftsminister“ Jürgen Rüttgers und sieht das Potenzials des Ressorts. So viele gibt es in der Berliner CDU allerdings nicht, die auch selbst das Potenzial haben könnten, um aus der kleinen, nicht besonders reich ausgestatteten Verwaltung das Beste herauszuholen. Frank Steffel, Unternehmer, starker Mann aus Reinickendorf, hat nach allerlei Spekulationen über seine Pläne festgestellt, er wolle nicht in den Senat. Dem anderen erfolgreichen Unternehmer in der CDU, Thomas Heilmann, wurde Interesse an einem Senatsamt nachgesagt, nicht aber unbedingt an diesem. Hinzu kommt, dass der politische Quereinsteiger Heilmann bei all seinen Verdiensten um die Berliner CDU im Lauf der Koalitionsverhandlungen ein paar Bedeutungs-Dämpfer akzeptieren musste. Womöglich setzt Henkel auch in der Wirtschaft auf eine Außenlösung.

Stadtentwicklung und Umwelt

Eine schwer steuerbare Mammutverwaltung, die schon 1999 auf den damaligen SPD-Landeschef Peter Strieder und dessen ambitionierte Ziele zugeschnitten wurde. Diese Behörde ist zuständig für Stadt- und Landschaftsplanung, Verkehr, Wohnungsbau und Mietenpolitik und künftig auch für den Umweltschutz. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die das Amt sieben Jahre lang führte, scheidet aus. Ihr Nachfolger soll der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller werden. Auch dieses Schlüsselressort übernimmt ein enger Vertrauter des Regierenden Bürgermeister Wowereit, der mit Müllers freundschaftlicher Assistenz ehrgeizige wirtschaftspolitische Ziele umsetzen will. Vor allem Großprojekte wie die Verlängerung der A 100, die Tangentiale Verbindung Ost oder den Neubau von 30 000 Wohnungen.

Arbeit, Integration und Frauen

Die Sozialpolitik wird dem Gesundheitsressort zugeschlagen und geht somit an die CDU. Gleichzeitig wird die neue Verwaltung um die Frauenpolitik bereichert, die bisher in der Wirtschaftsbehörde von Harald Wolf (Linke) verortet war. Traditionell sind all diese Politikbereiche bei der Neuordnung von Senatsressorts seit Jahrzehnten relativ freie Verfügungsmasse. Die Integration als selbstständiger Politikbereich wurde vom rot-roten Senat erst 2006 erfunden. Als neue Senatorin läuft sich schon seit geraumer Zeit die Vize-Fraktionschefin der SPD und Sprecherin der Parteilinken, Dilek Kolat, warm. Sie kann jetzt auch fest damit rechnen, vom Regierungschef ins Amt berufen zu werden. Kolat hat als einziges Regierungsmitglied einen migrationspolitischen Hintergrund. Die diplomierte Wirtschaftsmathematikerin wurde in der Türkei geboren und lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Berlin.

Gesundheit und Soziales

Keiner sagt es, jeder ahnt es: Mario Czaja wird wohl der neue Senator für Gesundheit und Verbraucherschutz. In der CDU sind andere Namen für das Ressort nicht zu hören. Czaja, 36, gehört seit ein paar Jahren zu den festen Größen der CDU-Führung. Er ist der Mann aus dem Osten für den Osten, erfolgreicher Wahlkämpfer in Marzahn-Hellersdorf und – wie die Koalitionsverhandlungen gezeigt haben – erfolgreicher Streiter gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz. Czaja gehört zu denen, die die manchmal desolate Lage der Berliner CDU in den vergangenen zehn Jahren klar und kühl analysierten – und die richtigen Schlüsse daraus zogen. Als Abgeordneter hatte er seine Wähler im Hinterkopf, die Gesundheitspolitik als großes Thema und die Geschlossenheit der Fraktion im Sinn. Das alles wirkt jetzt zusammen.

Bildung, Jugend und Wissenschaft

Ein großes Ressort, das für alle Berliner von der Windel bis zum Doktorhut zuständig ist. Es entstand 2006 aus der Fusion der Schul-, Jugend und Wissenschaftspolitik. Vorher waren Wissenschaft und Forschung mit der Kulturpolitik liiert. Die Kultur ist seit fünf Jahren Wowereits Domäne – und bleibt es auch. Jetzt gibt es wieder eine Veränderung: Der Forschungsbereich wandert in das Wirtschaftsressort und damit zur CDU. Wer die leicht abgespeckte Bildungsbehörde künftig politisch leiten wird, ist noch ein Geheimnis. Der bisherige Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) hat sich bereits in den Ruhestand verabschiedet. Es ist davon die Rede, dass Wowereit eine sozialdemokratische Politikerin von auswärts in die Stadt holen wird.

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