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Berlin: Künstler von Welt

Mehr als 10 000 Menschen machen in dieser Stadt professionell Kunst. Sie kommen von überall, um hier zu leben und zu arbeiten – nicht nur zur Art Week. Wir haben zehn der bekanntesten internationalen Künstler Berlins besucht.

Berlin, die Stadt der Kreativen. Knapp 21 000 sollen hier leben, heißt es in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Fast die Hälfte davon sind professionelle Künstler. Und der Zuzug hält an. Wer reüssieren will, sucht in der Bundeshauptstadt nach einem Atelier. „Berlin wird auch international als die Stadt für zeitgenössische Kunst gesehen,“ sagt Kulturstaatssekretär André Schmitz mit Stolz. Seit dem Fall der Mauer und nochmals seit den Nullerjahren hat sich eine regelrechte Karawane gen Berlin in Bewegung gesetzt. Hier waren die Mieten günstig, die Lebenshaltungskosten niedrig. Die Stadt bietet den für kreatives Arbeiten nötigen Freiraum – eine inspirierende Mischung aus Geschichte und dem Aufbruch ins Ungewisse.

Was möglicherweise noch mehr zählt: die bereits hier lebenden anderen Künstler. Sie locken. Die Kunde von der hippen Adresse Berlin wurde als Erstes durch die Künstler in alle Welt getragen, die als Nächstes ihre Galeristen zum Aufbruch veranlassten. Mit mehr als 400 Adressen ist Berlin heute größter Galeriestandort Europas. Was in den neunziger Jahren mit den Rundgängen im Scheunenviertel begann, hat sich längst auf andere Quartiere ausgebreitet, neue Schwerpunkte haben sich gebildet: an der Jannowitzbrücke, am Checkpoint Charlie, zuletzt in der Potsdamer Straße. Die nächste Galeristengeneration versucht ihr Glück gegenwärtig in Kreuzkölln.

Zwar gilt die Stadt, im Vergleich zu anderen Kunstmetropolen, noch immer nicht als verkaufsträchtiges Pflaster. Doch dem Trend nach Berlin folgten in den letzten Jahren zunehmend auch Sammler, die hier für ihre Kollektionen eigene Schauräume eröffnen. Zur Berlin Art Week, die noch bis Sonntag zum ersten Mal mit Ausstellungen, Messen, Künstlergesprächen stattfindet, geben sie alle ihr Bestes, um den Ruf der Kunststadt Berlin zu festigen: die Museen, die Galerien, die Sammler. Nach dem Einbruch im vergangenen Jahr durch den Wegfall des Art Forums hoffen die Verkaufsausstellung Art Berlin Contemporary (abc), die Messen Preview und Berliner Liste, wieder an die Erfolge von 2010 anzuknüpfen. Nach einer Studie der Förderbank des Landes Berlin war damals der Jahresumsatz um 23 Prozent auf fast 200 Millionen Euro gestiegen.

Wir sind auf diesen Seiten an die Anfänge der Produktionskette zurückgekehrt, zu internationalen Künstlern, die bis heute den Ruf der Kunststadt Berlin begründen. Wir haben sie in ihren Ateliers aufgesucht, jenen mythischen Orten, wo sich Kunst materialisiert und von dort ausgesandt wird. Wir haben renommierte Maler, Bildhauer, Videokünstler und Soundtüftler getroffen, die von weither ihren Wohnsitz verlegt haben, um in Berlin zu arbeiten: aus den USA, Kanada, Japan, Finnland, Großbritannien, Frankreich. Vielfach zogen sie zunächst nur vorübergehend her, oft im Rahmen des Förderprogramms des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (daad), der seit Mauerzeiten immer wieder Künstler für ein Jahresstipendium eingeladen hat, um über sie Verbindung mit der Welt zu halten. Oder ihre Galeristen animierten sie zu einem Arbeitsaufenthalt. Für andere machte ein komplexes Kunstprojekt ein längeres Bleiben notwendig.

Sie kamen, sahen und blieben, denn hier fanden sie Bedingungen, die das Schaffen beflügeln: einerseits die Ruhe und Konzentriertheit, andererseits das großstädtische Flair mit allen Möglichkeiten des Amüsements. Dann die Nähe zu anderen Gewerken, Werkstätten für die Umsetzung aufwendiger Installationen, Technik- und Elektronikexperten, die sich auf die Zusammenarbeit mit Künstlern spezialisiert haben. Ihre Atelieradressen in den verschiedenen Kiezen haben diese Neu-Berliner mit Bedacht ausgewählt, sei es in der Nähe ihrer Galerie, sei es in einer gezielt „unkünstlerischen“ Nachbarschaft, um frei von Ablenkung ihrer Arbeit nachgehen zu können.

Dabei wird Veränderung spürbar. Berlins Brachen werden zunehmend bebaut, Mieten steigen, ein Verdrängungsprozess setzt ein, der häufig bei jungen Künstlern beginnt. Deshalb unterhält Berlin als einzige Stadt neben Amsterdam ein Atelierprogramm, um dieses kreative Potenzial zu binden (siehe Interview rechts). Bis Ende 2013 will der Kultursenat die Förderung auf 1,4 Millionen Euro steigern, um hundert weitere Ateliers zu ermöglichen. Zusätzlich gibt es derzeit 140 Studios in Landesimmobilien sowie 250 Atelierwohnungen – Bausteine der Kunststadt Berlin.

Einer der leuchtendsten Bausteine ist die Manufaktur des dänischen Vorzeigekünstlers Olafur Eliasson im Pfefferberg, zu der heute 45 Mitarbeiter gehören sowie seit einigen Jahren das Institut für Raumexperimente. Auch Ai Weiwei wird in seine Nachbarschaft ziehen, sobald er die Ausreisegenehmigung erhält und seine Gastprofessur an der Universität der Künste antreten kann. Gegenwärtig wird für ihn auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei unterirdisch ein Schauraum mit Atelier eingerichtet. Eliasson und Ai stehen für die ungebrochene Anziehungskraft der Stadt. Sie sind Aushängeschilder – wie auch die zehn Künstler, die wir auf diesen Seiten vorstellen.

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