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Berlin: Kultur macht Konjunktur

Die Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ hörte Experten zum Kreativpotenzial der Stadt

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Gehört der Mann, der gestern am Parlament vorbeiradelte, auch zur Kulturwirtschaft? Er spielte, nur eine Hand am Lenker, auf der Mundharmonika. Drinnen im Abgeordnetenhaus ließ sich die Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ derweil erzählen, wie wichtig die Kultur als Standortfaktor ist. Etwa 18 000 Unternehmen, seien es Buchverlage, Modedesigner, Filmproduzenten oder Galeristen, machen in Berlin jährlich acht Milliarden Euro Umsatz und beschäftigen 75 000 Menschen. Hinzu kommen 20 000 Selbstständige, die künstlerisch- kreativ arbeiten.

Wirtschafts-Staatssekretär Volkmar Strauch trug diese Zahlen vor und warnte vor dem verbreiteten Vorurteil, Kultur nur als Kostenfaktor zu Lasten der öffentlichen Hand zu sehen. „Dahinter steckt eine riesige Ökonomie.“ Ein Kulturwirtschaftsbericht des Senats ist in Arbeit. Längst habe sich, sagte Strauch vor der Kommission, ein „Berliner Lifestyle“ herausgebildet. „Das überdurchschnittlich hohe kreative Potenzial zieht ständig weiteres kreatives Potenzial an.“ Auch Susanne Binas-Preisendörfer, die die landeseigene Kulturveranstaltungs-GmbH leitet, wies auf die „erheblichen Standortvorteile Berlins gegenüber anderen Regionen“ hin. Das gelte vor allem für die „junge Kultur“. Die Vorteile, die diese künstlerische Vielfalt mit sich bringe, würden von der Stadt noch zu wenig genutzt. Binas-Preisendörfer, die der Bundestags-Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ angehört, warnte vor weiteren Kürzungen im Berliner Kulturetat.

Das tat auch der ehemalige Kultursenator Volker Hassemer. Kultur und Wissenschaft seien nun mal die „Grundressource“ Berlins. Viel mehr noch als die Hauptstadtfunktion. Deshalb dürfe man sich im öffentlich geförderten Kulturbereich keine Verschwendung leisten. Aber es wäre auch selbstmörderisch, „ausgerechnet an der Grundressource zu sparen“. Hassemer schlug vor, die Organisations- und Tarifstrukturen im Kultursektor „in vorbildlicher Rigidität“ zu reformieren. Im Gegenzug solle der Senat in den kommenden fünf Jahren auf einen weiteren Abbau der Kulturförderung verzichten. Berlin sei schließlich in einer einzigartigen Situation, von der jeder Produzent nur träumen könne: „Die Welt erwartet geradezu unerschütterlich, dass diese Stadt ihre Kreativität entfaltet und steht bereit, Berlin mit seiner kulturellen Kompetenz ernst zu nehmen.“

Die vielen schönen Worte nahm die Enquetekommission dankbar auf. Im Zwischenbericht vom 1. September waren sich Regierung und Opposition nicht einig geworden, ob die finanzielle Ausstattung von Wissenschaft und Kultur mit staatlichen Mitteln inzwischen eine Grenze erreicht hat, die nicht mehr unterschritten werden darf. Auch die wirtschaftliche Bedeutung der Berliner Kultur wurde bisher unzureichend ausgelotet.

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