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Die Frau an der Spitze in der Berliner CDU: Monika Grütters.

© imago/IPON

Kulturstaatsministerin Monika Grütters: "Wir Frauen stellen oft unser Licht unter den Scheffel"

Ihren Posten als Landesgruppenchefin in der Bundestagsfraktion hat Monika Grütters (CDU) diese Woche abgegeben. Im Interview spricht die Kulturstaatsministerin über Frauen und Männer und Macht in der Politik.

Von Ronja Ringelstein

Frau Grütters, sind Sie am Montag entmachtet worden?

Das ist eine kuriose Interpretation eines Routinevorgangs. Es war sinnvoll, dass ich mit meiner Autorität als Landesvorsitzende und Regierungsmitglied die Berliner Kollegen bei der Verteilung der Aufgaben in der Bundestagsfraktion vertrete. Ich habe aber von Anfang an gesagt, dass ich das Amt als Landesgruppenchefin wieder abgebe, wenn dieser Auftrag erfüllt ist. Das war am Montag der Fall. Nun kann ich mich neben meinen Pflichten als Staatsministerin wieder stärker auf die Landespolitik konzentrieren.

Nach außen wurde das nie kommuniziert.

Warum denn auch? Es ist an sich keine Aufgabe von großem öffentlichen Interesse. Aber ich bin stolz, dass unsere Berliner Bundestagsabgeordneten nun wichtige Funktionen in der Fraktion besetzen. Nehmen Sie das Thema Wohnungsbau: Kai Wegner ist nun baupolitischer Sprecher, Klaus-Dieter Gröhler Berichterstatter für den milliardenschweren Etat des Bauministers und Jan-Marco Luczak zuständig für das Mietrecht. Wir werden also an entscheidender Stelle Einfluss nehmen auf die Wohnungspolitik des Bundes. Das war mir wichtig. Davon wird auch Berlin profitieren. Das gilt auch für Frank Steffels Aufgaben im Sportausschuss und jetzt auch als Außenpolitiker. Ganz zu schweigen von Thomas Heilmanns Erfahrungen in der Digitalpolitik. Wir sind ein starkes Team.

Auch innerhalb Ihrer Partei sagen manche: Ein Amt weniger heißt weniger Macht. Ist das so?

So einfach ist die Gleichung nicht, und ich halte auch nichts von unnötiger Ämterhäufung. Wichtig ist doch vor allem, der Sacharbeit gerecht zu werden. Es gibt doch gerade in Berlin genug zu tun. Für mich ist es wichtig, sichtbar zu machen, wie viele Fachleute, welche Expertise die Union hier zu bieten hat.

Sie haben also nicht das Gefühl, dass jemand Ihren Führungsanspruch infrage stellt?

Das Gefühl hat niemand, ich auch nicht.

Es gab zwei Gegenstimmen gegen Jan-Marco Luczak als neuen Landesgruppenchef. Klaus-Dieter Gröhler und Frank Steffel schienen sich gegen die Idee zu stellen. Herrscht jetzt Knatsch in der Landesgruppe?

Das hoffe und denke ich nicht. Mir ist wichtig, dass wir in dieser kleinen, aber bedeutenden Landesgruppe die Geschlossenheit demonstrieren, die ich mir für die ganze Partei wünsche.

Es ist kein Geheimnis, dass sich da nicht alle wunderbar verstehen. Jetzt sind die fünf Männer mit Posten versorgt – glauben Sie, der Frieden hält?

Wir arbeiten sehr friedlich, fleißig und konstruktiv für unsere Berliner Wähler. Ich leiste meinen Beitrag als Staatsministerin für Kultur und Medien. Darum geht es, nicht um Personaldebatten.

Die Kreischefs in der Berliner CDU, dazu zählen auch jene Kollegen aus der Landesgruppe, haben viel Macht, und die demonstrieren sie immer wieder gerne. Wie wollen Sie sich da in Zukunft durchsetzen?

Wenn ich mich nicht durchzusetzen wüsste, wäre ich nicht, wo ich bin. Natürlich binde ich die Kreisverbände in meine Entscheidungen ein. Aber mir liegt auch die Beteiligung unserer Mitglieder am Herzen. Dafür haben wir die Struktur unserer Programmarbeit erneuert.

Wollen Sie Landesvorsitzende bleiben?

Die Frage stellt sich nicht. Der neue Landesvorstand ist ja erst vor einem Jahr gewählt worden.

Machen Sie den Job denn gerne?

Es ist mir eine große Ehre, dass ich der CDU in dieser von mir so geliebten Stadt dienen darf. Natürlich war der Auftakt nach einer schweren Wahlschlappe bei der Abgeordnetenhauswahl sehr schwierig. Da hat man es mit vielen Enttäuschungen engagierter Mitglieder und mit großen Erwartungen zu tun. Unser Generalsekretär Stefan Evers und ich haben zusammen völlig neue Rahmenbedingungen für eine lebendige und wirkungsvolle Oppositionsarbeit geschaffen. Dieser Erneuerungsprozess geht weiter. Mein Versprechen, unsere Mitglieder besser einzubinden, habe ich mit Mitgliederbefragungen und neuen Beteiligungsformaten eingelöst. Mit einem Landesvorstand, der zur Hälfte mit Frauen besetzt ist, haben wir Berliner ein starkes Signal in die CDU Deutschlands gesendet. Wir sind der erste Landesverband, dem das gelungen ist. Auch das passiert nicht von allein.

Vor rund zwei Jahren sagten Sie einmal den Satz „Wir Frauen haben ja gegenüber Männern auch noch einiges aufzuholen, was die hohe Kunst des Selbstlobs betrifft“. Wofür möchten Sie sich heute selbst loben?

Wir Frauen stellen oft unser Licht unter den Scheffel und schauen dann neidisch auf die selbstbewussten Herren. Mehr Selbstvertrauen, die Damen! Das gebe ich meinen Kolleginnen mit auf den Weg. Scheut euch nicht mitzumachen, ihr seid genauso gut! Für eine selbstverständliche Gleichberechtigung der Frauen braucht es aber noch viel mehr Rollenvorbilder. Dafür stehen unsere Kanzlerin Angela Merkel, unsere Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und auch ich hier in Berlin als erste weibliche Landesvorsitzende. Außerdem: Wer gut in der Sache ist, vielleicht besser als die Konkurrenz, entwickelt eine natürliche Autorität und strahlt sie auch aus.

Manchmal macht es den Eindruck, Sie hätten es gerade in diesem Männerhaufen der CDU besonders schwer. Täuscht das?

Es ist immer schwierig, wenn man in der Minderheit ist – egal ob als Frau in einer Partei oder in den Führungsetagen der Tageszeitungen in Deutschland, die zu über 90 Prozent von Männern geführt werden. Ich kann mich aber nicht beklagen, denn ich bin immer von Männern gefördert worden – und es geht ja auch deutlich voran, da muss man sich nur unseren Landesvorstand ansehen. Im Grunde wissen wir alle: Gemischte Teams sind einfach erfolgreicher.

Welche ist Ihre Strategie?

Leistung in der Sache, Fleiß, Zuverlässigkeit sind wichtig. Meine Themengebiete sind bekannt: Kultur, Wissenschaft, Bildung, Medien. Dazu gehört auch die Frauenförderung. Wie wichtig und notwendig sie ist, habe ich nicht zuletzt in der Partei gelernt.

Menschen in einer Partei leben aber auch und vor allem von Allianzen. Sind Sie gut im Schmieden von Allianzen?

Klar, ohne Freunde und Mitstreiter geht es nicht. Dafür steht meine jahrelange Zeit in der Parteiführung und natürlich auch mein verantwortungsvolles Amt als Staatsministerin. Das Wichtigste ist und bleibt aber eine überzeugende Sacharbeit.

Sie äußerten sich diese Woche gleich zu zwei landespolitischen Themen: Sie beklagten, dass Berlin eine Digitale Agenda fehle, und äußerten sich zur Videoüberwachung. Greifen Sie jetzt landespolitisch an?

Zur Videoüberwachung habe nicht nur ich mich regelmäßig geäußert, und die Digitale Agenda ist bei uns in der Bundespolitik ganz oben auf der Tagesordnung, nicht zuletzt im Kanzleramt. Sie betrifft mich täglich. Es ist eines der Felder, auf denen der Senat vollmundig mehr verspricht, als er einlöst. Aber meine Rolle ist nicht, jede Regung in der Landespolitik zu kommentieren. Unsere sehr fleißige Abgeordnetenhausfraktion treibt die rot-rot-grüne Landesregierung munter vor sich her.

Ihr Hauptjob ist ja nun Kulturstaatsministerin, und eine neue Amtszeit hat begonnen. Besonders das Humboldt-Forum ist Ihr Thema. Außereuropäische Sammlungen sollen das Herzstück des Forums bilden. Viel war kritisiert worden, dass die Herausforderung im Umgang mit kolonialem Raubgut nicht elegant gelöst wurde. Wie stehen Sie zu der Kritik?

Richtig ist, dass das Humboldt-Forum von den außereuropäischen Sammlungen lebt, die zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören und die bisher in Dahlem beheimatet waren. Innerhalb dieser Sammlungen spielt das Thema Kolonialismus durchaus eine Rolle, mit der man umgehen muss. Dass es auf die Tagesordnung der Politik gelangt ist, ist vor allem dem Humboldt-Forum zu verdanken. Es hat hier noch vor seiner Eröffnung wie ein Katalysator gewirkt. Zum Glück hat das Humboldt-Forum aber noch viel mehr zu bieten: eine Akademie, die Räume für die Humboldt-Universität und für die Stadtgeschichte Berlins, die Geschichte des Ortes, Kino- und Konferenzsäle usw. Es wäre schade, wenn das Forum auf den Kolonialismus reduziert würde, denn sein großartiges Angebot besteht gerade in der Interdisziplinarität und in der Vielfalt.

Scheuen Sie die Debatte?

Im Gegenteil! Ich bin froh, dass diese Debatte so lebhaft geführt wird, weil das Humboldt-Forum so bereits vor seiner Eröffnung seine Existenzberechtigung beweist. Ich bin sicher, dass die Experten der Museen wissen, wie wichtig diese Frage nach der Herkunft der Sammlungsobjekte ist, und dass sie in einer Weise mit den Kulturgütern umgehen, die den Herkunftsgesellschaften mit Respekt begegnet und den Bedürfnissen eines kritischen Publikums gerecht wird.

Sie wollen der Stiftung sechs Provenienzforscher zusätzlich ermöglichen, davon sollen vier für die Kolonialismusaufarbeitung sein. Was soll dort genau geschehen?

Das müssen die Museen entscheiden. Ich möchte dem gesteigerten Auskunftsbedürfnis einer kritischen Öffentlichkeit gerecht werden. Dafür bei den Museen die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen – darin sehe ich meine Aufgabe. Die Museen, für die ich verantwortlich bin, sollen jedenfalls nicht sagen können, es fehle an Geld und Personal.

Die Kunsthistorikerin und Beraterin in diesen Fragen von Emmanuel Macron, Bénédicte Savoy, organisiert für den französischen Präsidenten eine mögliche Rückgabe von Objekten nach Afrika. Die „Zeit“ schreibt, sollte es Ihnen gelingen, sie als die profilierteste Kritikerin des Humboldt-Forums an zentraler Stelle einzubinden, hätten Sie den strukturellen Lapsus korrigiert.

Ich sehe hier keinen Lapsus. Das Humboldt-Forum im Stadtschloss wächst und gedeiht. Beide leben von einer großartigen Geistesgeschichte. Darüber haben sich Merkel und Macron bei ihrem Besuch auf der Baustelle in der vergangenen Woche verständigt. Auf diesem Fundament schauen wir mit diesem Projekt in die Zukunft. Über Personalia und darüber, wie und durch wen er sich beraten lässt, entscheidet künftig der Intendant, der Mitte Mai gewählt werden soll.

Das Gespräch führte Ronja Ringelstein.

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