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Berlin: Kummerkasten statt Flimmerkiste

Auch Kabelkunden leiden unter der Umstellung auf DVB-T

Von Tanja Buntrock

und Kurt Sagatz

„Es brannte die Luft.“ So beschreibt Bernd Ruschinzik, Sprecher der Berliner Verbraucherzentrale, die Reaktionen der verunsicherten und verärgerten Anrufer, die über Probleme mit dem neu eingeführten Digitalfernsehen (DVB-T) klagten. Am Donnerstag hatte die Verbraucherzentrale zu diesem Thema ein Servicetelefon geschaltet. Die Anrufer bemängelten vor allem „Bauklötzchen“ im Fernsehbild sowie andere Bild- sowie Tonstörungen.

Zu den verärgerten Antennennutzern kämen jetzt auch noch Kabel-Kunden aus verschiedenen Stadtgebieten, die eigentlich mit der Umstellung auf DVB-T gar nichts zu tun haben. Seit vergangener Woche beschweren die sich über Bild- und Tonstörungen, einige sehen ebenfalls „Bauklötzchen“ auf dem Schirm. „Das darf nicht das Ergebnis des Digitalfernsehens sein“, sagt Ruschinzik. Auch der Sprecher der Wohnungsbaugesellschaft Gehag hat seit dem vergangenen Wochenende von Mietern mit Kabelanschluss gehört, die nun Schwierigkeiten mit ihrem Fernsehbild haben. Zur Erklärung: Um den Zuschauern die regionalen Programmfenster zum Beispiel in der ARD anbieten zu können, nutzen die Kabelgesellschaften ebenfalls das DVB-T-Signal und speisen das in die Kabelanlagen ein. Damit leiden viele Kabelkunden nun unter den gleichen Problemen wie die Antennenzuschauer.

Die Berliner Kabelgesellschaft RKS hat seit der Umstellung auf DVB-T am Wochenende 700 neue Kunden. Dies bestätigte der Sprecher Matthias Levy dem Tagesspiegel. Viele Anrufer hätten auf die Probleme des digitalen Antennenfernsehens reagiert und seien kurz entschlossen zum Kabelfernsehen gewechselt. „Wir haben am vergangenen Wochenende ebenfalls ein Servicetelefon geschaltet und sofort einen Kundendienst eingerichtet, der noch am Wochenende die Kabelzugänge der neuen Kunden freigeschaltet hat“, sagt Levy. „Es haben aber auch Kabelnutzer angerufen, die zusätzlich einen Digital-Decoder gekauft haben, weil sie total verunsichert waren“, sagt Levy. Er kritisiert die Informationspolitik der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). „Die hätten besser die Kabel- und Satellitenanbieter vor der Umstellung mit ins Boot geholt und gemeinsame Aufklärung geleistet. Dann wären viele Verunsicherungen gar nicht erst entstanden“, vermutet er.

Den RKS-Mitarbeitern sei mit der Umstellung auf DVB-T noch etwas aufgefallen: Etwa eine Woche vor der Einführung auf das Digitalfernsehen hätten circa 70 Kunden den Kabelvertrag gekündigt, aber nach nur wenigen Tagen einen neuen abgeschlossen. Der Sprecher bestätigte, dass es sich dabei vor allem um Sozialhilfeempfänger gehandelt habe. Diese bekommen den Decoder (Set-Top-Box), der für den Empfang nötig ist, kostenlos. Sie müssen dafür beim Sozialamt einen „Kostenübernahmeschein“ beantragen. Ausgestellt wird der allerdings nur, wenn der Sozialhilfeempfänger belegen kann, dass er kein Kabelfernsehen nutzt. „Deshalb die vielen Abmeldungen bei der RKS“, sagt Levy. Wie der Sprecher bestätigte, sollen viele der Sozialhilfeempfänger die Decoder zwischenzeitlich weiterverkauft haben. Unter anderem über das Internet. Eine Recherche bei Ebay ergab: 46 Decoder werden angeboten, allerdings die Hälfte davon nicht von Privatleuten, sondern von Profihändlern.

Dem Sozialstadtrat von Neukölln, Michael Büge, ist bislang von dieser Praxis nichts bekannt. „Man sollte die Einzelfälle jetzt nicht aufbauschen und die anderen womöglich mit der Nase auf diese Betrugsmöglichkeit stoßen“, sagt er. Geprüft würden auf jeden Fall die Kontoauszüge und die Mietverträge mit den Kabelanbietern. Wer beim Betrug erwischt wird, müsse die Kosten für den Decoder erstatten.

DAS DIGITALE FERNSEHEN: PROBLEME UND LÖSUNGEN

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