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Berlin: Kunst, Kampf, Konzentration

Es ist ruhig in der RAF-Ausstellung – eine Woche nach Eröffnung. Die Besucher haben zu tun: Sie lernen

Lange bevor die RAF-Ausstellung geöffnet hatte, war sie schon Thema, erntete Empörung, weckte Hoffnungen, dann wurde sie am letzten Januar-Wochenende eröffnet – und seither?

In den Kunstwerken in der Auguststraße in Mitte ist es an diesem Freitagnachmittag eher ruhig. An weißen Wänden hängen Bilder und Dokumente, rund 100 Arbeiten haben die drei Ausstellungsmacher zusammengetragen. Die Mitarbeiter der Kunstwerke sind über den ausbleibenden Andrang etwas enttäuscht. Offiziell heißt es zum Thema Besucherzahlen: „Wir sind zufrieden.“

Manfred Reutter steht vor einem Bild, das eine Bootspartie zu zweit zeigt. Kopfhörer hängen daneben, er presst sie kurz ans Ohr, hängt sie wieder weg. Was er gehört hat: Wasserglucksen. Auch diese Installation bringt es irgendwie nicht. Die RAF war doch explosiv, radikal, kriminell! Reutter weiß das. Er ist Jahrgang ’41 und war selbst auf der Demo am 2. Juni 1967, als Benno Ohnesorg erschossen wurde – der erste Märtyrer der radikalen Linken. Davon spürt er kaum etwas in den Kunstwerken. „Wenig spektakulär, zu vorsichtig, zu historistisch“, findet Reutter. „Das Härteste sind noch die Fakten.“

Im Erdgeschoss wird die Mediendebatte mit alten Zeitungsausschnitten und Fernsehsendungen dokumentiert. Es gibt eine kleine Bibliothek mit Standardwerken zur Terrorismus-Forschung. Besucher kämpfen sich konzentriert durch Unmengen von Bildern und Texten. In den oberen Etagen beginnt die künstlerische Reflexion. Familie Andrae aus Magdeburg sinniert über die Frage, ob die Beuys- Filzpantoffeln aus der Installation „Dürer, ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die Dokumenta V“ sich auch an sie richten, als Ex-DDR-Bürger in der BRD-Gesellschaft. „Da stecken wir auch drin“, sagt Dietmar Andrae. Die Anschläge der RAF hätten die DDR-Medien damals ohne Schadenfreude kommentiert – vielleicht, um die Milliardenkredite nicht zu gefährden. Mit der Ausstellung sind die Andraes zufrieden. „Das Umfeld der RAF wird sehr gut beleuchtet.“

Positiv denken auch Jüngere über die Ausstellung. Anne Schümann und Konrad Miller, geboren 1983 und 1984, lernen hier das, was ihr Geschichtslehrer offen ließ. „Das Lebensgefühl dieser Zeit kommt gut ’rüber. Dieses absolute Überzeugtsein.“ Zweieinhalb Stunden sind sie schon in den alten Gemäuern der Kunstwerke und doch erst im zweiten Stock angekommen. Von Verharmlosung oder Idolisierung der RAF-Protagonisten haben sie nichts bemerkt. „Das ist eher neutral und distanziert.“ Viele Besucher ahnen nicht, dass es noch einen zweiten Ausstellungsort gibt: die St.-Johannes-Evangelist-Kirche ein paar hundert Meter weiter an der Auguststraße. Dort steht die „camera silens“, ein Raum der Stille, der sich als Folterkammer entpuppt. Die Wände sind aus dickem Schaumstoff. Drinnen leuchtet grelles Kunstlicht. Es kann die beklemmende Stille der Isolationshaft sein, aber auch die „Stille nach dem Schuss“ – so heißt der Film über das Leben der Terroristin Inge Viett.

Ins Gästebuch hat einer geschrieben: „Der Traum ist aus, aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird“ – ein Liedtext von der Ton-Steine-Scherben-Platte „Keine Macht für Niemand.“

„RAF – Zur Vorstellung des Terrors“, Kunstwerke, Auguststr. 69, Mitte, montags geschlossen, Eintritt 6 Euro, erm. 4 Euro

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