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Berlin: Kunst kommt von Chaos

Das Tacheles wird als Symbol für ein weltoffenes Berlin vermarktet

Streit, das ist das wichtigste Wort in der Geschichte des Tacheles. Denn Streit hat es immer gegeben. Das ging schon los im Februar 1990, als die Künstler die Ruine besetzten und sich mit den Bauarbeitern anlegten, die die Löcher für die Sprengung des Gebäudes bohrten. In den Folgejahren mit dem Senat, der die Fördergelder für das Off-Kultur-Haus zurückfahren und schließlich einstellen wollte. Es hat auch Streit gegeben mit den Investoren aus der Kölner Immobiliengruppe Fundus, die den Bau und die brachliegenden Grundstücke rundherum vom Bund erworben hatten, um dort viele neue Häuser zu bauen und das inzwischen denkmalgeschützte Tacheles als Künstlerhaus instandzusetzen. Und es streiten sich die Künstlergruppen innerhalb des Vereins Tacheles, über Konzepte, Geld und darum, wie man mit Investoren umgehen sollte.

Aber Streit kann auch kreativ sein. Chaos als Grundlage für die Kunst. Das hat gut funktioniert in den ersten Jahren des Tacheles, als die Ruine jeden Abend hunderte Besucher anzog, die schauten, was es Neues zu entdecken galt in den Ateliers, im Kino oder dem Künstlercafé. Aber das ist lange her. Die Gründungsmütter und -väter des Tacheles sind längst von Bord, meistens im Groll geschieden, und heute fristet das Tacheles bestenfalls eine Randexistenz im breiten Spektrum der Off-Kultur der Stadt. Das Tacheles als Gesamtkunstwerk, als Impulsgeber für die Kulturszene, wo mit wenig viel gemacht wird, und es etwas zu sehen gab, was es sonst nirgends gab, das war einmal.

Heute ist das Tacheles bestenfalls eine Touristenattraktion. Vor allem für junge Leute, die in der Oranienburger Straße das morbide, spontane, autonome Berlin suchen, das es in Bielefeld und Bamberg nicht gibt. Aber sie finden ein Berlin, durch das sich täglich die Touristenbusse stauen, voll mit Besuchern, die erst im Friedrichstadtpalast die Girlreihe beklatschen und auf dem Weg ins Hotel einen Abstecher ins vermeintlich authentische Nachtleben einer ebenso gruseligen wie faszinierenden Metropole machen.

Für die Kulturverwaltung ist das Tacheles schon länger keine feste Förderung mehr wert. Geld aus dem Senatstopf gibt es nur für einzelne Projekte, 2002 waren es genau zwei. „Eins davon war ein Künstler-Austausch mit Beirut“, sagt Torsten Wöhlert, Sprecher der Kulturverwaltung. Für die Experten der Berlin-Tourismus-Marketing (BTM) ist das Tacheles aber nach wie vor ein Symbol. „Es steht für eine multikulturelle, bunte, weltoffene Stadt mit einer großen kulturellen Vielfalt“, sagt Natascha Kompatzki, Sprecherin der BTM. Also sind Fotos vom Tacheles, vor allem von der inzwischen berühmten Rückseite des Baus mit dem Künstlergarten, auch in verschiedenen Prospekten der BTM zu finden, zum Beispiel in der Jugend-Werbung „Berlin 4 you“. Für die Zielgruppe jenseits der 30 setzt die BTM dann aber doch auf traditionelle Kultur-Institutionen, „zum Beispiel die drei Opernhäuser“, sagt Frau Kompatzki.

1998 haben Tacheles-Künstler einen Mietvertrag mit der Fundus-Gruppe geschlossen. Er läuft auf zehn Jahre.

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