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Berlin: Kunst statt Kutsche

Der Neue Marstall am Schloßplatz war einst die Garage des Kaisers. Heute feiert die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Eröffnung

Neugierig schauen sich Passanten im großen Foyer um. Sie wundern sich, dass viele junge Leute mit Instrumenten herumlaufen. Die nüchtern-moderne Einrichtung, die Helligkeit wollen nicht zum düsteren Äußeren des Hauses passen. Auch die Studenten, die hier ihre Übungsräume ansteuern, haben noch Orientierungsschwierigkeiten. Es ist nicht leicht, sich auf Anhieb in diesem großen Haus, dem neuen Domizil der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, zurechtzufinden. Sie zieht, wie berichtet, heute offiziell an den Schloßplatz.

Draußen, vor dem pompösen Bauwerk mit der langen Spreefront, glauben manche Ortsunkundige, dass sie vorm Schloss stehen. So oder ähnlich muss es doch ausgesehen haben, sagen sie – sind dann aber irritiert von den Bronzereliefs mit dem Abbild von Karl Marx und den geballten Arbeiterfäusten. Das Schloss stand einst gegenüber, dort, wo jetzt der Palast der Republik seinem Ende entgegengammelt.

Die Hochschule zieht in einen Bau, dem die große Aufmerksamkeit trotz seiner prominenten Lage und seines Hauptnutzers, der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, bislang versagt blieb. Immerhin gehörte der Marstall, der eigentlich Neuer Marstall heißt, einst zum Hof. Er war gewissermaßen die Garage, hunderte Pferde waren hier auf zwei, mit Rampen verbundenen Etagen untergebracht. Ganz vorn, gegenüber dem Schloss, standen die Kutschen der kaiserlichen Gesellschaft. Nun zieht die Kunst mit 700 Studenten ein.

Das Projekt stand auf der Kippe, erinnern sich Rektor Christhard Gössling und Michael Réthy von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Als 1999 mit dem Bau begonnen wurden, waren 7,87 Millionen Euro kalkuliert. Zu knapp, wie sich zeigte. Zu Ost-Berliner Zeiten waren Schäden im Haus mehr schlecht als recht geflickt worden. Als das Geld für die Sanierung ausging, gab es 2003 einen Baustopp. „Eine schwere Hängepartie“, sagt Gössling, dessen alte Bleibe an der Wilhelmstraße vom Bund beansprucht wurde. Nun sind über elf Millionen Euro verbaut, doch Architekt Claus Anderhalten musste streng haushalten: Statt Teppichböden gibt es gestrichenen Estrich, statt geplanter bronze-eloxierter Wandverkleidungen warm getöntes Mauerwerk. Zwischendecken wurden abgerissen, drei Säle entstanden und ein Haus im Haus, ein siebenstöckiger Block mit 80 größeren und kleineren, schallisolierten Übungsboxen. Da können die Studenten ungestört proben, wie etwa Cornelia Linke, die hier kräftig ins Doppelhorn bläst.

Der Plan, aus zwei Portalen einen einzigen Eingang zu machen, scheiterte an den Denkmalschützern. Die Absicht, die Fassade zu sanieren, an fehlenden drei Millionen Euro. Das Taubenproblem ist auch nicht gelöst. Die Vögel leben im und am Palast gegenüber, die Musikhochschule leidet darunter. „Achtung, Fenster nicht öffnen, da sofort Tauben einfliegen“, raten Zettel an den Scheiben.

Der Neue Marstall wurde zwischen 1896 und 1901 von Hofbaumeister Ernst von Ihne gebaut. In den 20ern zog hier die Stadtbibliothek ein. Nach dem Krieg bauten die Ost-Berliner Behörden den Marstall wieder auf, ohne den Fassadenschmuck. Sie richteten dann die Verwaltung des Palastes der Republik ein. Im Keller entstand eine Abhörzentrale. „Aufs Gehör hat man sich schon damals gut verstanden“, sagt der Hochschulrektor.

Christian van Lessen

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