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Berlin: Kunst sucht Kapital Teil dir dein Theater Miet dir dein Museum

Berlin gibt zu viel aus für die Kultur, sagt der Finanzsenator. Doch einige Theater und Museen finden neue Wege, ihre Projekte zu finanzieren

WIE RETTEN WIR BERLIN?

100 Millionen Euro will Finanzsenator Thilo Sarrazin bei der Kultur bis zum Jahr 2007 einsparen. Und es hat schon angefangen. Ein Beispiel: Bei der Förderung freier Theatertruppen ist der Topf für die vierjährige Unterstützung von 7,1 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 5,5 Millionen in diesem Jahr geschrumpft. Mit der Zeit werden immer weniger Institutionen mit öffentlichen Geldern rechnen können. Aber Sparen muss sein. Jammern hilft nicht. Jetzt ist Eigeninitiative gefragt. Deshalb erzählen wir hier von Menschen aus der Theater und Museumsbranche, die sich etwas einfallen lassen, um zu sparen oder neue Quellen anzuzapfen. Von Andreas Rochholl zum Beispiel, der seine „Zeitgenössische Oper“ auf privates Risiko betreibt und sich nicht leisten kann, Schulden zu machen, weil er eine kleine Tochter zu versorgen hat. Von der Schauspielprofessorin, die bei sich zu Haus ein Theater als gemeinnützigen Verein betreibt. Oder vom Chef des Museums Hamburger Bahnhof, der Gelder erwirtschaftet, indem er sein Museum vermietet. rcf

Theater machen mit wenig Geld, das geht so: Man teile sich Bühne und Fundus mit anderen. Dann esse man drei bis vier Mal die Woche mit potenziellen Sponsoren zu Abend (vorzugsweise auf deren Rechnung) und lerne, wie man PR macht ohne Etat. „Unternehmergeist ist wichtig“, sagt Andreas Rochholl, Chef der Zeitgenössischen Oper Berlin, „aber leider gibt es den kaum, vor allem nicht bei den Off-Theatern“. Wobei „Off“ bedeutet: kleines Theater ohne staatlichen Auftrag. Und es bedeutet: Die Politik hilft zuerst woanders, wenn’s bergab geht.

Bergab geht es seit 1994. Damals war die Off-Szene – rund 400 Truppen – noch recht beliebt bei den städtischen Geldgebern. Seitdem ist Berlins Kulturetat ständig geschrumpft. Für die Förderung der Off-Theater, die sich in drei Programme aufteilt – Unterstützung von Einzelprojekten, zweijährige Basis- sowie vierjährige Konzeptförderung – stehen von ehemals mehr als zwölf Millionen Euro noch neuneinhalb zur Verfügung. Wenn Sarrazin bis 2007 weitere 100 Millionen einspart, wird es bald noch weniger sein.

Die Kammerspiele Moabit haben schon zugemacht, das Hansa Theater und das Schlosspark-Theater kippeln am Rand der Pleite. Wer kein Geld aus überregionalen Töpfen bekommt, aus dem Hauptstadtkulturfonds zum Beispiel oder dem der Bundeskulturstiftung, hat Pech. Denn selbst könne sich Kunst nur tragen, wenn sie sich nach dem Massengeschmack richtet, sagt Andreas Rochholl.

Von Thilo Sarrazins Auffassung, kulturelle Wertschöpfung sei vor allem am Ticketverkauf ablesbar, hält der Chef der Zeitgenössischen Oper zwar nichts. Selbst für seine hochgelobten Projekte braucht und bekommt er Zuschüsse. Dennoch: „Einen Anspruch auf staatliche Hilfe hat keiner. Vor allem, wenn er sich nicht mal bemüht, kreativ zu wirtschaften“, sagt er. Mit der Oper, die nur Stücke aufführt, die nach 1945 komponiert wurden, macht Rochholl nun im kleinen Stil weiter, nachdem ihm die zugesagte Konzeptförderung doch wieder entzogen worden war. Statt fünf Produktionen gibt es jetzt nur zwei. Rochholl nutzt das Hebbel-Theater. Fest angestellt ist allein die Pressefrau. Einen Etat hat sie allerdings nicht, nicht einmal für Flugblätter. Also telefoniert sie viel.

Und dann gibt es da noch die Variante ganz ohne Zuschüsse. Für die hat sich Ruth Preller-Gutdeutsch entschieden. Seit fünf Jahren führt die 72-Jährige, die früher Schauspiel an der UdK lehrte, ihr eigenes Theater – bei sich daheim, im „Greenhouse“, Roonstraße 12. Immer am Wochenende gibt es im Salon, im Garten oder im Keller Profi-Theater mit bis zu vier Schauspielern. Die Bühne baut der Sohn aus Paletten, der Ehemann sitzt an der Kasse, und die Hausherrin spielt. Sie hat ihr Projekt als gemeinnützigen Verein eintragen lassen, so dass die Mitglieder ihre Spenden steuerlich absetzen können. Was reinkommt an Eintrittsgeldern, das steckt sie in Fundus, Gagen und den Rotwein, der in der Pause auf dem Wohnzimmertisch steht. „Idealismus trägt das Ganze“, sagt sie. Trotzdem wächst das Unternehmen. Allerdings ist auch der Standortvorteil nicht zu unterschätzen. Das Theater hat Preller-Gutdeutsch nämlich klug da gegründet, wo das klassische Westberliner Theaterpublikum wohnt: in Zehlendorf. rcf

Über die Zeitgenössische Oper gibt es Infos unter Telefon 030 / 44 34 21 01. Über das Greenhouse-Theater unter 80 18 328.

Die Programme werden dünner, die Ankauf-Etats kleiner, dringend notwendige Sanierungen werden aufgeschoben und teure Anbauten nicht mit Kunst gefüllt: alles aus Geldmangel. Den 114 Berliner Museen geht’s nicht besser als anderen Kultureinrichtungen, ob sie sich nun aus privaten, Landes- oder Bundesmitteln finanzieren. Deshalb werden auch die Museumschefs in den kommenden Jahren Eigeninitiative zeigen müssen. Der Hamburger Bahnhof, Museum für zeitgenössische Kunst, ist ein positives Beispiel. Hier hat man Möglichkeiten gefunden, selber Geld zu machen.

Im Haus an der Invalidenstraße fehlt das Geld für aktuelle Projekte und für den Ankauf neuer Werke. Das Museum zählt zwar eher zu den privilegierten, weil es als Teil der Nationalgalerie zu jenen 17 staatlichen Museen gehört, die von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unterstützt werden – die Stiftung bekommt von Bund und Ländern jährlich rund 140 Millionen Euro und verteilt sie weiter. Dennoch kann Direktor Eugen Blume von seinem Anteil nur das Personal, die Pflege des Baus und die Bewachung finanzieren. Für Ausstellungen bleibt kaum etwas übrig. Sogar die Eintrittsgelder wandern zurück in die Kassen der Stiftung. Weil aber ein Museum für moderne Kunst nur dann Sinn macht, wenn man auch moderne Kunst sieht und nicht die von gestern, hat der Verein der Freunde der Nationalgalerie vor fünf Jahren die Veranstaltungs GmbH gegründet. Seitdem wird ein Museumsflügel regelmäßig vermietet. 200 000 Euro bringt das im Jahr. 150 000 darf Blume auf neue Projekte verwenden. „Damit haben wir etwa 60 Prozent von dem, was wir brauchen, selbst finanziert“, sagt er zufrieden.

Chef der GmbH ist Jan Oelmann. Er – selbst auch im Vorstand des Vereins der Freunde der Nationalgalerie – ist der einzige Angestellte. Alle anderen arbeiten ehrenamtlich. Auch fürs Büro fallen keine zusätzlichen Kosten an, denn Oelmann ist in den Räumen des Freundeskreises mit angesiedelt. Mehr als 50 Events pro Jahr koordiniert er von hier aus, vom Klavierkonzert bis zum Diskussionsforum. Die Kunden – Banken, Parteien, Firmen und Privatiers – zahlen 1000 bis 50 000 Euro. Nicht einmal für PR muss Oelmann Geld ausgeben, denn die Mitglieder im Förderverein machen effektive Mundpropaganda.

Dieser Ansatz von „Miet dir dein Museum“ ist berlinweit der bestorganisierte. Damit seien aber die Möglichkeiten der Eigen-Finanzierung noch längst nicht ausgeschöpft, sagt Jan Oelmann. Eine weitere, bisher erst von wenigen Museen verwirklichte, ist die Vermarktung des Copyrights an den Kunstwerken. Man könnte Duplikate aus den Museumswerkstätten verkaufen oder mit Spielzeugfabrikanten über Gemälde-Puzzles verhandeln. „Museum ist immer noch zu sehr Tempel“, sagt Oelmann, „wird immer noch mit zu viel Respekt betrachtet.“

Oelmann gibt zu, dass die marktwirtschaftliche Ausbeutung von Museen eine Gratwanderung ist. Wer da was bestimmt: die Kunst den Kommerz oder umgekehrt, sei vielleicht nicht immer strikt zu trennen. Und tatsächlich wirkt sich das notgeborene Werben des Museums um Sponsoren auch aufs Programm aus. Weil ausländische Botschaften gerne zahlen, wenn sie Künstler ihres Landes zeigen können, gab es schon osteuropäische, spanische und chinesische Ausstellungen. Aber darüber zu jammern in solchen Zeiten, hieße jammern auf hohem Niveau. Und hohes Niveau, das wollen doch alle. rcf

Der Hamburger Bahnhof liegt an der Invalidenstraße 50. Die Veranstaltungs GmbH ist zu erreichen unter 030 / 39 78 34 15.

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