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Pablo Perra und Lucas Rellecke gießen in ihrer Werkstatt selbst gestaltete Actionfiguren aus Kunstharz – und können mittlerweile sogar von ihrem Handwerk leben.

© Mike Wolff

Kunst und Spiel: Muskelprotze und andere Monster - made in Wedding

Zwei Jungunternehmer stellen Actionfiguren her – nur zum Spielen sind die Wesen nicht gedacht.

Lucas Rellecke zieht den Kopf ein, als er durch die Luke im Boden hinab in den Keller steigt. „Das ist Frankensteins Labor“, sagt er und lacht. Der Kollege Pablo Perra steht schon an der Werkbank und hantiert mit den Gliedmaßen. „Jetzt haben wir hier einen Arm, hier den Oberkörper, die anderen Arme und hier haben wir die Beine. Und die können wir jetzt alle einzeln gießen.“ Mehrere kleine weiße Silikonformen füllt Perra mit grüner Kunstharz-Masse aus. Das etwa zehn Zentimeter große Wesen, das dabei entsteht, trägt den Namen „Multi Drone“: eine grüne Kampfdrohne mit verwirrend vielen Armen und Schläuchen, die sich über ihre Muskelpakete ziehen.

In ihrer Werkstatt in Wedding geben Lucas Rellecke und Pablo Perra, beide 32, ihren Kindheitsträumen ein Gesicht – oder besser: eine Fratze. Unter dem Namen „Goodleg Toys“ verkaufen sie seit 2013 für etwa 50 Euro das Stück ihre selbst gemachten Actionfiguren. Mit Muskelprotzen, Dino-Wissenschaftlern und Zyklopen-Ungetümen bestreiten sie inzwischen sogar ihren Lebensunterhalt. Der Vorteil an dem Material, das sie verwenden: Für die Brutalos aus Kunstharz sind keine riesigen Gerätschaften nötig wie für die Plastikhelden aus den Fabriken der großen Spielzeughersteller. Zum Spielen ist das Material jedoch nicht geeignet – die Kreaturen sind für Sammler gedacht. Das Ergebnis steht in der Weddinger Werkstatt im Regal.

Haben die beiden erst einmal eine neue Serie an Kreaturen geschaffen, fantasiert Lucas Rellecke die zugehörigen Universen zusammen. Pablo Perra zeichnet die Comics dazu. Damit knüpfen sie an die Blütezeit der Actionfiguren in den Achtzigern an, als Verkaufsschlager wie „He-Man“ und die „Masters of the Universe“ mitsamt Comics, Zeichentrickserien und Hörspielkassetten den Spielzeugmarkt eroberten. Wenn Lucas Rellecke über die von ihm erdachten Welten spricht, ist von „haarigen Hütern des Universums“ die Rede, von einer „erlesenen Auswahl an Dino-Wissenschaftlern und Soldaten“, von der „Essenz des Lebens, die irgendwo im Universum verborgen liegt“.

Monster wie wir.
Monster wie wir.

© Mike Wolff

In ein paar Kisten, die sich neben ihrem Arbeitsplatz stapeln, lagern Fehlgüsse und nicht vollendete Prototypen. Lucas Rellecke kramt einen verfetteten Herrn im Umhang hervor: He-Bum. „Da war die Idee, aus unserem alten Kindheitshelden He-Man einen Penner zu machen, also diesen Superhelden ins Gegenteil zu verkehren. Mit Bierbauch und Fernfahrermütze, Flasche in der Hand und Zigarette in der Faust.“ Er dreht sich um zu Pablo Perra, der am Arbeitsplatz behutsam ein grünes Biest zusammensteckt und bepinselt. „Den He-Bum, den müssen wir noch irgendwann mal machen.“ Ob He-Bum oder Multi Drone – die beiden können sich mit ihren Launen austoben, wie sie wollen. Doch zu ihren eigenen Kopfgeburten kommen auch Auftragsarbeiten. Gerade ist eine neue Figur ins Sortiment vorgedrungen: der „Surf Nazi“. Die Figuren zum Low-Budget-Knüller „Surf Nazis Must Die“ aus dem Jahr 1987 ist der Beginn einer Zusammenarbeit mit „Troma Entertainment“, einer B-Movie-Produktionsfirma aus den USA. Die hat „Goodleg Toys“ für sich entdeckt, um kleine Versionen ihrer Trash-Charaktere zu verbreiten – ohne riesige Auflagen in Auftrag geben zu müssen. Die Umhänge der schwarz gewandeten Figuren hat Relleckes Frau genäht.

Doch wie man den blutrünstigen Brotberuf den Eltern erklärt, dafür hat der junge Familienvater noch keine Lösung gefunden. „Die verstehen nicht, wie wir auf solche abgefahrenen Ideen kommen.“ Was Vater und Mutter noch absurder finden ist, dass es Leute gibt, die das kaufen. Der Vorwurf lautet: Gewaltverherrlichung. Doch dahinter stecke ein Gedanke, sagt der studierte Philosoph Rellecke, „den unsere Elterngeneration nicht ganz mitkriegt. Dass man Gewalt auch als Stilmittel gebrauchen kann. Im Sinne einer Satire.“ Und überhaupt: Die Geschöpfe sind für sie kein Spielzeug. Sie sind Kunst.

Zu sehen sind die Actionfiguren vom 27. bis 29. Juni in der Ausstellung „Still Smuggling Toys“ in der Jungbusch-Bar, Weserstr. 16, Neukölln. www.goodlegtoys.tumblr.com

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