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Kunstfehler: Ärzte vor Gericht

Spektakuläre Fälle ärztlicher Behandlungsfehler gibt es immer wieder. Seit Dezember muss sich wie berichtet der Charlottenburger Schönheitschirurg Reinhard Sch. vor Gericht verantworten, weil er für den Tod einer Patientin verantwortlich sein soll.

In ganz Deutschland kommt es pro Jahr zu geschätzten 40 000 Vorwürfen von Patienten, ihre Ärzte hätten Behandlungsfehler begangen. „Genau lässt sich das nicht feststellen, da vieles schon im Gespräch oder durch die Haftpflichtversicherung des Arztes geregelt wird“, sagt Rechtsanwalt Rolf-Werner Bock, der sich auf solche Fälle spezialisiert hat.

Jährlich werden aber rund 12 000 Zivilrechts- und 3500 Strafverfahren eingeleitet. Streit gibt es vor allem in den Bereichen, in denen operiert wird, also in der Chirurgie oder Orthopädie, außerdem in der Anästhesie und der Geburtenhilfe, etwa wenn ein Arzt sich zu spät für einen Kaiserschnitt entscheidet. Was ebenfalls oft vorkommt: Ein Tupfer, ein Tuch oder andere Fremdkörper verbleiben nach der Operation im Körper. Auch falsche Medikation ist häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen.

„Die Zahl der Fälle steigt seit Jahren kontinuierlich an“, sagt Rolf-Werner Bock. Dafür gibt es viele Gründe. Die Gesellschaft ist durch Medien und Internet aufgeklärter, das Patientenselbstbewusstsein ist gewachsen. „Der Halbgott ist passé“, sagt Bock. Auch führe der Konkurrenzdruck unter Ärzten und Krankenhäusern dazu, dass diese mitunter einem früher behandelnden Arzt schlechte Arbeit unterstellen, was die Bereitschaft des Patienten zur Klage erhöhe. Und nicht zuletzt habe sich das Rechtssystem ausdifferenziert, das Fallmaterial sei gewachsen, was wiederum mehr Patienten veranlasse zu sagen: „Das trifft ja auf mich auch zu.“

Generell ist die Zivilrechtsprechung dem Patienten in den letzten Jahrzehnten entgegengekommen. Der Prozess setzte 1894 ein, als das Reichsgericht, Vorläufer des Bundesgerichtshofs (BGH), feststellte, dass ein medizinischer Eingriff Körperverletzung ist. Damit wurde erstmals das Strafrecht auf die Medizin anwendbar. In den 70er Jahren hat der Bundesgerichtshof den Begriff des „groben Behandlungsfehlers“ eingeführt. Im Gegensatz zum normalen Behandlungsfehler liegt hier die Beweispflicht beim Arzt und nicht beim Patienten.

Unzufriedene Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, können in Einvernehmen mit ihrem Arzt kostenfrei die Schlichtungsstelle der Ärztekammer anrufen. Wenn das nicht hilft, folgt meist der Gang zum Anwalt.

Rolf-Werner Bock spricht am 14.Januar um 18 Uhr auf dem Patientenforum der Patientenbeauftragten zum Thema „Behandlungsfehler – welche Möglichkeiten haben Patienten?“ Ort: Senatsverwaltung für Gesundheit, Oranienstraße 106, Raum 5.131

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