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Kunsthaus Tacheles: Vom Erfolg gefressen

Dem Kunsthaus Tacheles droht das endgültige Aus, aber für Künstler und Besucher ist das keine Option. Sie finden: Es muss einfach weiter gehen, alles andere wäre eine Katastrophe. Noch ist ihr friedlicher Widerstand ungebrochen.

Die kanadische Sängerin Peaches war hier, der Sänger Nick Cave und der Holländische Collagenkünstler Tim Roeloff. Dass sie ihre Karriere im Tacheles –  an der Oranienburger Straße, in der Mitte von Berlin – begonnen haben, wäre maßlos übertrieben. Aber wie hunderte Künstler vor und nach ihnen fanden sie einen Ort, an dem sie sich als Musiker und kreativer Geist frei entfalten konnten. Kein Mietstress, keine „Kommunikationsministerien“, keine Isolation. Dafür fanden sie helle, offene Ateliers, Meinungsfreiheit und den Austausch mit Gleichgesinnten.

Jahrelang funktionierte für die Künstler das Konzept. Und wohl auch in Zukunft könnte das Haus mit dieser Strategie weitermachen. Zumindest was das Interesse der Kuntsschaffenden anbelangt. Denn auch wenn niemand so richtig weiß, was in den kommenden Monaten hier passieren wird, sind immer noch rund 80 Künstler in den Räumen tätig. Und die 30 Ateliers könnten, wenn das nötige Geld da wäre, ohne Probleme auf 90 aufgestockt werden. Aus allen Teilen der Welt wollen Grafiker, Performancekünstler oder Schauspieler nach Berlin und die Vorzüge des Tacheles genießen.

Aber nicht nur unter Künstlern ist das Haus die angesagteste Adresse von Berlin. Rund 400.000 Besucher schlendern jährlich durch das Gebäude. Grund dafür ist sicher auch die internationale Werbung. Fast in jedem Berlin-Stadführer von New York bis Melbourne wird seit Jahren das Tacheles als Ort der bunten und hippen Berliner Kunstwelt angepriesen. Dennoch muss es noch etwas anderes geben, was die Menschen scharenweise in das Haus treibt. „Sie suchen Authentizität“, versucht Tacheles-Chef Martin Reiter das ungebremste Interesse am Tacheles zu erklären. Die Menschen seien das gezielte Marketing der Unternehmen langsam einfach überdrüssig und wollen etwas Echtes – etwas selbst Erdachtes und selbst Gemachtes, das nicht an Gewinnmaximierung geknüpft ist.

Was wird nun also mit dem internationalen Aushängeschild der unabhängigen Berliner Kunstszene? Politiker aller Parteien bekundeten bisher ihre Sympathien für die kreativen Leute, nur zahlen möchte niemand für sie. Eine Stiftung wäre zumindest das erklärte Ziel des Tacheles. Bis jetzt konnte sich die kreative Masse des Hauses immer gegen alle Angriffe wehren. Nur dieses Mal scheinen Geld und Kommerz für die Künstler zu übermächtig zu sein. Das Gelände an der Oranienburger Straße ist eines der letzten großen Freiflächen in Mitte, deren Verkaufswert 35 Millionen Euro beträgt. Und so fällt die Zukunftsprognose von Reiter auch recht nüchtern aus: „In zehn Jahren ist das Tacheles entweder eine Legende oder Teil der künstlerischen Avantgarde.“

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