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© Kai-Uwe Heinrich

Kutschfahrten: Zu Pferd unterwegs: Kontrolle statt Romantik

Das Geschäft mit Kutschfahrten läuft gut, doch die Kutscher dürfen sich keinen Unsinn erlauben. Ämter und Tierschützer haben die Branche im Auge.

Klaus Winkelmann sitzt auf dem Kutschbock und schreibt in sein Fahrtenbuch. Jede Tour, die er mit seiner Kutsche macht, trägt er ein. Uhrzeit, Strecke, die Pausen seiner Tiere. Seit April muss Winkelmann ein solches Buch führen. „Gefällt mir zwar nicht, aber Vorschrift ist Vorschrift“, sagt der Kutscher. Verwaltungskram sei nicht so sein Ding.

Anlass für die Vorschriften war eine spektakuläre Amokfahrt, die jetzt vor Gericht verhandelt wird: Kurz nach Weihnachten beendet ein schwerer Unfall eine Kutschfahrt auf der Friedrichstraße. Als der Fahrer seine drei Gäste aussteigen lassen will, gehen die Pferde durch. Der Kutscher wird bis zur Französischen Straße mitgeschleift und dann vom Wagen überrollt. Tagelang liegt er schwer verletzt im Krankenhaus, die Touristen kommen mit dem Schrecken davon. Jetzt läuft der Prozess gegen den Fahrer, der das Gewerbe nicht angemeldet hatte.

Tierschützer, Politiker und Polizei handelten damals umgehend und erarbeiteten einen Katalog mit „Leitlinien für Pferdekutschen“. Der soll für mehr Sicherheit sorgen und die Tiere schützen. Seitdem dürfen die Pferde nicht länger als neun Stunden arbeiten – wozu auch die An- und Abfahrt vom Stall am Stadtrand gehört – und müssen ausreichend Wasser und Heu bekommen. Pausiert wird an schattigen Plätzen mit naturbelassenem Boden. Zudem muss jede Kutsche ein Kennzeichen haben, das Gefährt durch den Kutschen-Tüv, und die Fahrer brauchen einen Führerschein. Für Klaus Lüdcke, den Tierschutzbeauftragten des Senats, ist das Thema damit vom Tisch. „Weil wir Leitlinien haben, können wir jetzt auch regelmäßig kontrollieren“, sagt Lüdcke. Veterinäramt und Polizei kommen unangemeldet zu den Fahrern am Brandenburger Tor, lassen sich Fahrtenbücher zeigen, prüfen den Gesundheitszustand der Tiere. Eine konkrete Bilanz ist nicht zu erfahren, aber die zuständige Tierärztin Yvonne Gall sagt, die Situation habe sich verbessert. Ob die Leitlinien langfristig wirken, kann sie derzeit noch nicht beurteilen. Während vor der Neuregelung Fahrer mit klapprigen Kutschen aus Wien oder aus Polen Fahrten anboten, ist die Zahl der Betreiber jetzt deutlich gesunken. Nur sechs Unternehmen fahren in der Innenstadt. Zur Beseitigung von Pferdeäpfeln sind die Kutscher übrigens nicht verpflichtet.

Der Tierschutzverein ist nach wie vor wachsam. Am liebsten würde Tierschutzverein-Sprecher Marcel Gäding alle Pferde aus dem Zentrum verbannen. Er weiß, dass das Geschäft mit dem Pferd Arbeitsplätze schafft und bei Touristen beliebt ist. „Das Geschäftsfeld müssen wir nutzen“, sagt Gäding. „Aber nicht zulasten der Pferde.“ Die Leitlinien seien zumindest ein erster Schritt. „Allerdings müsste vor allem bei der Fahrsicherheit einiges getan werden“, sagt er.

Tanja Breining von der Tierrechtsorganisation Peta schlägt schärfere Töne an: „Die Kutschfahrten sind eine Gefahr für Mensch und Tier.“ Kutscher Winkelmann kann über solche Aussagen nur lachen. Seine Pferde seien gut trainiert. Viele hat der ehemalige Turnierfahrer von Geburt an betreut. Winkelmann kennt den Amokkutscher. „Der hatte kein Fahrabzeichen und war nur Rikschafahrer“, sagt er. „Das ist verantwortungslos.“ Für Winkelmann ist ein Kutschenführerschein ein absolutes Muss.

Der Prozess um den Geisterkutscher wurde zunächst vertagt. 1000 Euro könnte ihn die Fahrt kosten. Angeblich will der Mann wieder Touristen kutschieren. Von den Kollegen am Brandenburger Tor hat ihn allerdings noch keiner wieder gesehen.

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