zum Hauptinhalt

Berlin: La Paloma ade

Andrew Witham ist Kapitän auf Berlins größtem Dampfer. Jetzt hat ihn die britische Armee für den Irak eingezogen

Andrew Witham darf nicht reden, sonst droht ihm Gefängnis. Denn der Kapitän der „La Paloma“ ist einberufen worden, er ist offiziell einer der rund 8 000 Reservisten, die Großbritannien für einen Einsatz im Irak derzeit mobilmacht. Am 20. Februar muss sich der 38-Jährige im schottischen Glasgow einfinden, ansonsten wäre das Fahnenflucht. 40 Kilo Gepäck darf er laut Einberufungsbefehl dabeihaben, von einer Rückkehr kein Wort.

Weil Witham ein Maulkorb verpasst wurde, spricht jetzt sein Arbeitgeber, der Geschäftsführer der „River Line Schiffahrtsgesellschaft“, Jürgen Dickhut, für seinen Kapitän – allerdings auch in eigener Sache. „Wenn Witham wirklich eingezogen wird, weiß ich nicht, wie es weitergehen soll“, sagt Dickhut. Er sieht sich durch die Einberufung seines Kapitäns in seiner Existenz bedroht. 1997 verwirklichte er sich mit der 82 Meter langen „La Paloma“ einen lang ersehnten Traum: Die vier Millionen Euro teure „La Paloma“ ist das größte Fahrgastschiff der Region Berlin-Brandenburg und pendelt zwischen Spandau und Brandenburg.

Dickhuts Traum ist nun in Gefahr. Da Art und Dauer des möglichen Einsatzes streng geheim sind, könne er Withams Arbeitsplatz nicht freihalten und müsste sich nach einem Ersatz umschauen. Das ist aber gar nicht so einfach, kennt Dickhut doch außer Witham niemanden mit der benötigten Lizenz für so ein riesiges Schiff. Daher hat der Schiffseigner jetzt Widerspruch beim Army Personal Centre in Glasgow eingelegt. „Es geht um das Schicksal der La Paloma, aber auch um Andrews berufliche Zukunft“, sagt Dickhut.

Der Schiffseigner hat sich informiert: „In einer englischen Zeitung war gerade erst zu lesen, dass von circa 160 nach Afghanistan eingezogenen Briten 70 nach der Heimkehr arbeitslos waren. Und die leben in England. Ich werde um Andrew kämpfen.“ Der hat den Rückflug vorsorglich für den 21. Februar gebucht, hofft er laut Dickhut doch darauf, dass der Widerspruch Erfolg hat.

Witham kam 1982 als Pionier der britischen Armee nach Berlin. Nach seinem Ausscheiden 1997 fing er als Steuermann auf dem Party-Schiff „La Paloma“ an, das für Feiern, Konferenzen und andere Veranstaltungen gemietet werden kann. Aber noch bis zu seinem 40. Lebensjahr kann er – wie jetzt geschehen – jederzeit einberufen werden. Unverheiratet und kinderlos gilt er für die Armee als Idealtyp.

Robin Greenham, Verbindungsoffizier der britischen Streitkräfte in Berlin, ist erstaunt über den Vorfall. „Mir ist kein anderer Fall von in Berlin lebenden Engländern bekannt, die derzeit einberufen werden“, sagt Greenham. Allerdings wisse er, dass der Einspruch von Arbeitgebern an anderer Stelle schon einmal Erfolg hatte. Die Crew der „La Paloma“ setzt derweil auf das Prinzip Hoffnung. Die Planungen für die nächste Fahrt, den „Kohl-und-Pinkel-Törn“ am 27. Februar, stehen bereits. Natürlich mit Andrew Witham als Kapitän.

Juliane Schäuble

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false