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Berlin: Labyrinth der Erinnerungen

Drei Zwangsarbeiter-Kinder im Schöneberger Hochbunker

Stumpf ist die Erinnerung nicht, aber sie fällt nicht mit dieser Gewalt über Valentina Kusnezova her wie beim ersten Mal. Viele Gänge, viele Windungen, dazwischen karge Räume. Treppen hoch, Treppen runter. Ein Labyrinth aus Beton. Eines, in dem nach fünf Minuten die Hände klamm sind, weil es kalt ist und alte Erinnerungen hochsteigen. Valentina Kusnezova ist ergriffen, aber sie weint nicht.

Das erste Mal, das war 1996. Damals besuchten Valentina Kusnezova und ihre beiden Schwestern, Lidia Sjomina und Olga Sokolova, zum ersten Mal den Ort, an den sie 1943 mit ihrer Mutter deportiert wurden. Die Sophie-Scholl-Oberschule in Schöneberg war ein Zwangsarbeiterlager. Der Hochbunker, ein schmutzig-grauer Betonwürfel, steht bis heute auf dem Schulhof. Ein Museumsstück. Und ein Teilzeit-Museum. Seit ein paar Jahren erinnern Schüler und Lehrer mit Ausstellungen an das düstere Stück Vergangenheit ihrer Schule. Seit Samstag kann man sich im Bunker Klanginstallationen anhören und ansehen.

Die meisten Ausstellungsräume sind spärlich beleuchtet. In einem hängt eine Lampe von der Decke bis knapp über den Boden. Unter ihr ein Lautsprecher, aus dem Assoziationen perlen. „Dunkel. Stille. Man hört jeden Schritt.“ Oder: „Schlechte Luft. Viel Raum für Erinnerungen.“ In einem anderen Raum hört man ein vielstimmiges, gespenstisches Heulen – das verstärkte Geräusch singender Gläser. Die drei Schwestern sind zur Eröffnung aus Russland und der Ukraine gekommen. Bresgina hießen sie damals mit Mädchennamen. „Wir sind stolz auf unsere Schule“, sagt Valentina Kusnezova nach dem Rundgang. „Die Kinder haben sich gute Gedanken darüber gemacht, was damals passiert sein könnte.“

Sie ist die Älteste, bekam am meisten mit. Elf, sieben und eineinhalb Jahre alt waren sie. „Wir sind erstaunt, dass man sich hier so damit befasst.“ Lange haben die Schwestern jene zwei Jahre im Lager totgeschwiegen. Die Mutter wollte es so. In Russland war das Thema tabu.

Die Klanginstallationen im Hochbunker in der Pallasstraße 28-30 sind noch dreimal zu sehen und zu hören: 27. April, 15 bis 17 Uhr, 29./30. April , jeweils 15 bis 18 Uhr.

Marc Neller

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