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Berlin: Laienrichter dringend gesucht

Ohne sie kann kein Gericht ein Urteil fällen: 6000 neue Schöffen müssen bis Mai gewählt werden.

Von Fatina Keilani

Dass Petra Pflanz Schöffin wurde, war eher Zufall. „Ich musste ins Bezirksamt und sah die Ausschreibung, da habe ich mich beworben“, erzählt die 56-Jährige. „Ich bin Krimifan und analysiere gerne, da dachte ich: das passt.“

Petra Pflanz ist eine von 6000 Schöffen in Berlin. Schöffen heißen die ehrenamtlichen Richter nur an den Strafgerichten, für diese laufen alle fünf Jahre bundesweit Wahlen – auch jetzt wieder. 6000 neue Schöffen werden also gebraucht; mindestens doppelt so viele müssen aber auf die Liste, damit man auch wirklich von „Wahlen“ sprechen kann. Das ist auch deshalb wichtig, weil Rechtsextremisten immer wieder versuchen, ihre Sympathisanten unterzubringen – im Dienste einer „nationalen Rechtsprechung“. Die neuen ehrenamtlichen Richter treten zu Jahresbeginn 2014 ihr Amt an. Aber schon bis zum 1. Mai dieses Jahres müssen die Wahlen in den Bezirken abgeschlossen sein.

Deshalb werden derzeit dringend neue Kandidaten gesucht. Sind nicht genügend Freiwillige da, müssen Bürger per Zufallsgenerator zu Schöffen bestimmt werden. Das merke man dann aber auch, meint Petra Pflanz. Diejenigen, die der Zufallsgenerator ausgewählt habe, säßen oft lustlos ihre Zeit ab.

Pflanz selbst ist schon seit 1996 Schöffin und nach wie vor mit Begeisterung dabei. Auch ihr Amtskollege Oliver Skarupa schwärmt von dem Job. Ihn hatte im Jahr 2003 die SPD angesprochen, ob er nicht als ehrenamtlicher Richter ans Jugendschöffengericht wolle. Skarupa ist Ingenieur, er bildete damals gerade Jugendliche, die ihre Ausbildung abgebrochen hatten, in Elektrotechnik aus.

Jetzt arbeitet der 48-Jährige schon in seiner zweiten Amtsperiode als Schöffe; zur nächsten Wahl kann er deshalb nicht antreten. Nach spätestens zehn Jahren, also zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden, muss jeder Schöffe eine fünfjährige Pause einlegen. Auch Petra Pflanz hat eine solche Pause bereits hinter sich.

Was Oliver Skarupa am Schöffenamt gefällt? „Man lernt viel!“, sagt er: „Und man entwickelt soziale Kompetenz. Man hat ja Einblick in das Leben des Angeklagten, das Denken des Richters, und man muss sich auch selbst Gedanken machen.“ Es fühle sich auch gut an, nicht nur für sich allein zu leben, sondern zum Gemeinwesen beizutragen.

Ohne Schöffen kann das Gericht kein Urteil fällen. Die Laienrichter haben volles Stimmrecht. Sie ziehen sich mit dem Gericht zur Beratung zurück und können auch den Richter überstimmen, wenn sie anderer Meinung sind. „Haben wir auch schon gemacht“, sagt Skarupa. „Es ging um einen Diebstahl. Die Richterin wollte bestrafen, wir nicht – und wir haben uns durchgesetzt.“

Der Zeitaufwand für die Schöffentätigkeit ist überschaubar. Meist sind es höchstens zwölf Sitzungstermine im Jahr, die gleich zu Jahresbeginn feststehen. „Die muss man dann auch bei seiner Urlaubsplanung berücksichtigen“, sagt Petra Pflanz. Urlaubstage verliere man aber nicht, denn Arbeitgeber müssen Schöffen freistellen. Verdienstausfall wird erstattet. Jedes Jahr rotieren die Schöffen an eine neue Kammer, das bringt etwas Abwechslung.

Es gebe natürlich Fälle, die einen sehr berühren, erzählt Petra Pflanz. „In einem Fall von Kindesmisshandlung habe ich ganz schreckliche Fotos gesehen“, sagt sie: „Ich weiß aber, dass ich meine Emotionen nicht zur Grundlage eines Urteils machen darf.“ Auch wenn das manchmal schwerfalle. Es verlange einiges an Mut und Verantwortungsgefühl, über andere Menschen zu richten.

Skarupa ist immer wieder überrascht, wie groß der Unterschied zwischen Papier und Wirklichkeit ist: „Was die Staatsanwaltschaft in der Anklage vorträgt und was in den Akten steht, ergibt meist ein ganz anderes Bild als die Verhandlung. Ganz besonders krass ist der Unterschied oft, wenn die Presse vorher groß berichtet hat.“ Es ereigne sich aber auch viel Schönes.

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter haben einen eigenen Landesverband, der Veranstaltungen organisiert, Aufklärungsarbeit leistet und sogar Ausflüge mit den Mitgliedern macht – zum Beispiel ins Gefängnis.

Auch die neue JVA Heidering haben die Schöffen schon besichtigt. Petra Pflanz ist ganz begeistert von der neuen Haftanstalt: „Das ist dort sehr zukunftsorientiert. Es geht darum, die Straftäter wieder auf den Weg zurück in die Gesellschaft zu bringen, speziell durch Bildung.“ Damit kennt sie sich aus. Die gelernte Sekretärin ist nämlich Beraterin für Arbeitszeugnisse.Fatina Keilani

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