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Landesparteitag: SPD entschärft Programm gegen Schulverweigerer

Zwischen Bildung und SED-Geschichte: Die Mehrheit verweigert sich dem harten Kurs der Neuköllner Genossen. Eine Anzeigepflicht für Schwänzer und der Entzug des Sorgerechts lehnen die meisten ab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die SPD hat sich am Sonnabend auf einem Landesparteitag für ein Programm gegen Schulschwänzer ausgesprochen. Allerdings in entschärfter Form. Vorschläge der Neuköllner Sozialdemokraten zum Umgang mit hartnäckigen Schulverweigerern wurden von der linken SPD-Mehrheit als zu repressiv empfunden. Das gilt für die Pflicht zur Erstattung von Schulversäumnisanzeigen nach fünfmaligem Schwänzen pro Halbjahr, zur Information der Jugendämter über jede Anzeige und die Einschaltung des Familiengerichts, sobald zwei Versäumnisanzeigen vorliegen. Auch die Möglichkeit, Eltern im schlimmsten Fall das Sorgerecht zu entziehen und jugendliche Straftäter regelmäßig zu überprüfen, ob sie als Schulverweigerer auffällig wurden, fand keine Mehrheit. Dieser Teil des Antrags der Neuköllner SPD wurde in die Fachausschüsse überwiesen. Bis April 2009 soll ein Konzept „zum Umgang mit Jugendlichen aus bildungsfernen Elternhäusern“ erarbeitet und auf einem Landesparteitag beschlossen werden.

Trotzdem waren sich die Delegierten einig, dass ein Landesprogramm zur Durchsetzung der Schulpflicht notwendig ist. Es müssten Grenzen der Toleranz aufgezeigt werden. Das Programm müsse aber von „deutlich verbesserten Schulangeboten“ begleitet werden, wurde beschlossen. Die Schulpflicht sei nur dann effektiv, wenn die „dort erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zum gesellschaftlichen Aufstieg taugen“. Das gelte auch und gerade für Kinder von Migranten. „Integration ist nicht erzwingbar, wenn repressive Mittel darauf hinauslaufen, Migranten zu Menschen geringeren Rechts zu machen, verbieten sie sich.“

Seit einiger Zeit wurde in der SPD erbittert um den Schulschwänzerantrag gerungen. Linke Integrations- und Bildungspolitiker hätten die Initiative des mehrheitlich rechten Kreisverbands Neukölln am liebsten vom Tisch geschoben. Um dies zu verhindern, schaltete sich der SPD-Landes und Fraktionschef Michael Müller ein. „Die Berliner interessiert es nicht, welcher Antrag von welchem SPD-Flügel kommt“, sagte er. „Sie wollen Antworten auf ihre Probleme in der Schul- und Integrationspolitik.“

Um die „Schwänzerquote“ einzudämmen, wurde erst einmal beschlossen: Notorische Schulschwänzer und deren Familien sollen durch Pädagogen und Sozialarbeiter besser betreut, für besonders hilfebedürftige Schüler soll ein Internat eingerichtet und im Unterricht über „Sekundärtugenden“ wie Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß, Pflichtbewusstsein und Gewissenhaftigkeit gesprochen werden. Gefordert werden außerdem Schulstationen an allen Grundschulen, niedrigere Klassenfrequenzen, mehr Lehrer mit Migrationshindergrund, der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen, die schnellstmögliche Einführung der Gemeinschaftsschule und eine Vorschulpflicht ab dem dritten Lebensjahr. Die SPD-Abgeordnetenhausfraktion signalisierte bereits, dass die weitergehenden Vorschläge aus Neukölln, die der Parteitag ablehnte, trotzdem in die weitere Diskussion über ein Schulschwänzerprogramm einbezogen werden.

Ein Antrag des SPD-Arbeitnehmerflügels, die im Juli gescheiterten Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst unverzüglich wieder aufzunehmen, wurde nach kontroverser Debatte mehrheitlich abgelehnt. Zuvor hatte SPD-Landeschef Müller versichert, dass der Senat durchaus bereit sei, über Gehaltserhöhungen, eine Anpassung an die Bundestarifverträge und über einen größeren Einstellungskorridor mit den Gewerkschaften weiter zu verhandeln. Einen Zeitpunkt für neue Gespräche nannte er aber nicht. Ulrich Zawatka-Gerlach

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