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Henkel und Wowereit gemeinsam auf der Regierungsbank.

© DIG

100 Tage Rot-Schwarz: CDU im Senat: Dabei sein ist alles

Zehn Jahre lang hat sich die CDU als Regierungspartei im Wartestand auf diese Rolle vorbereitet. Jetzt regiert sie mit der SPD so geräuschlos, dass ein eigenes Profil bislang nur in Details zu erkennen ist.

Es war eine kleine Spitze mit großem Symbolgehalt. Nachdem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vor kurzem im Abgeordnetenhaus die Grundlagen der künftigen Senatspolitik vorgestellt hatte, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh etwas, das viele in der CDU gar nicht amüsierte. Er freue sich, dass man „mit den Konservativen eine linke Politik verabredet“ und „neoliberalen Dogmen eine Absage erteilt“ habe.

Das war einerseits eine wohlkalkulierte Provokation gegenüber dem neuen Juniorpartner in der Koalition. Den hatten Saleh und viele andere Sozialdemokraten in der sich mehrheitlich links verstehenden Berliner SPD sich nicht gewünscht. Es war aber auch die Feststellung, dass man mit der CDU nach der Linken jetzt einen Partner hat, der weniger ideologisch und fordernd auftritt, als von vielen Beobachtern erwartet – und dessen eigenes Profil bislang höchstens in Details erkennbar ist.

Geschlossenheit statt Machtkämpfen

Pragmatisch, kooperativ, und nach zehn Jahren Opposition heilfroh, endlich wieder mitreden und vor allem -entscheiden zu dürfen – so wirkt die Berliner CDU in der Koalition, die sie seit November mit der SPD verbindet. Nach zehn Jahren Buße für die Rolle der einstigen CDU-Vormänner bei der Bankenaffäre ist die Partei aus ihrer Sicht endlich wieder in ihrer natürlichen Rolle angekommen, auf die sie sich im Wartestand vorbereitet hat, der einer Regierungspartei. Die Affäre um Justizsenator Michael Braun wird da von den meisten nur als vorübergehender Dämpfer eingeschätzt. Der hatte sein Amt wegen seiner Rolle bei umstrittenen Geschäften mit sogenannten Schrottimmobilien auf den öffentlichen Druck hin schon nach wenigen Tagen wieder verlassen. Kritikern, die meinten, hier schimmere die alte CDU mit ihrer unsäglichen Verbindung von Politik und Immobilien durch, entgegnet man in der Union, dass doch fast alle wichtigen Posten in Partei, Fraktion und Senat von CDU-Funktionären besetzt seien, die schon vom Alter her kaum etwas mit der Diepgen-Landowsky-Ära verbinde.

Eine Video-Umfrage zu 100-Tagen rot-schwarzer Senat:

Ihre neue Verantwortung wollen sie mit Wissen um die Möglichkeiten und Grenzen eines kleinen Koalitionspartners ausfüllen. „Hochmotiviert“, so beschreibt CDU-Fraktionschef Florian Graf die Stimmung seiner Kollegen. Mit seiner ruhigen, verbindlichen Art passt der 38-jährige Diplom-Verwaltungswirt und CDU-Kreischef in Tempelhof-Schöneberg gut zur neuen Rolle seiner Partei. Während sein Vorgänger als Fraktionschef, der CDU-Landesvorsitzende und heutige Innensenator Frank Henkel, zu Oppositionszeiten im Nahkampf mit dem politischen Gegner auch mal laut wurde und mit markigen Sprüchen den Law-and-Order-Mann markierte, setzt Graf auf gewinnende Freundlichkeit und leise Töne, wenngleich er bei Bedarf auch scharf argumentieren kann, aber eben meist ohne Gepolter. Inhaltlich und vom politischen Fingerspitzengefühl her liegen der Fraktions- und der Parteichef weitgehend auf einer Linie, sowohl beim verlässlichen Regieren mit der SPD als auch in ihrem Bestreben, mit der einst von internen Machtkämpfen und Kungelrunden zerfurchten CDU geschlossen zu agieren. Dabei hilft die Tatsache, dass in der CDU-Fraktion zahlreiche neue Abgeordnete sitzen: 19 von 38 Unionspolitikern sind zum ersten Mal im Parlament.

Auf Augenhöhe. Mit Sekt stießen CDU-Chef Frank Henkel und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im vergangenen November auf die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages an.
Auf Augenhöhe. Mit Sekt stießen CDU-Chef Frank Henkel und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im vergangenen November auf die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages an.

© Oliver Lang/dapd

„Fortsetzung der alten rot-roten Politik“

Und so ist beim Koalitionspartner SPD auch hinter vorgehaltener Hand derzeit kaum ein böses Wort zur CDU zu hören. Die Zusammenarbeit zwischen Graf und seinem SPD-Pendant Saleh, unterstützt von den parlamentarischen Geschäftsführern Heiko Melzer (CDU) und Torsten Schneider (SPD), wird beiderseits als so gut und reibungslos beschrieben, wie es im Senat dem Vernehmen nach bei Wowereit und Henkel der Fall ist.

Im Parlament bestimmen statt einseitiger Profilierungsversuche bislang gemeinsame Initiativen der beiden Fraktionschefs das Bild – von der Ankündigung, den Bezirken im Haushalt 50 Millionen Euro mehr zuzugestehen bis zur geplanten Aufstockung des Schul- und Sportstättensanierungsprogramms. Ist die CDU also wirklich so ein handzahmer Partner, wie es Saleh mit seiner eingangs zitierten Spitze suggerierte? Nein, entgegnet Fraktionschef Graf und verweist auf den Koalitionsvertrag, in den seine Partei Ziele hineinverhandelt habe wie die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes, die Verdoppelung der Speicherfrist für Videoaufnahmen bei der BVG und 250 neue Polizisten.

Sehen Sie hier, welche Senatorinnen und Senatoren Berlin regieren:

Die Oppositionsparteien spotten hingegen darüber, wie stark sich die Union um der Machtbeteiligung willen der SPD angepasst habe. Vor allem die Grünen, die sich wegen knapper Mehrheiten und Unstimmigkeiten beim Autobahnausbau bei der SPD am Ende den Ruf einhandelten, trotz grundlegender Sympathien nicht koalitionsfähig zu sein. „Die CDU ist weder im Koalitionsvertrag noch in der Regierung erkennbar“, sagt Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Von Ausnahmen abgesehen, stehe Rot-Schwarz für die „Fortsetzung der alten rot-roten Politik“. So etwas lässt Fraktionschef Graf kalt. Man sei sich eben mit der SPD einig über die Grenzen, die ein knapper Haushalt vorgebe, und über das, was landespolitisch generell machbar sei. Dennoch werde die CDU in den Haushaltsverhandlungen noch „eigene Akzente“ setzen, kündigt er an.

Nach zehn Jahren Rot-Rot wird Berlin wieder von einer großen Koalition regiert. Seit dem 1. Dezember ist mit der Vereidigung der Senatoren die neue Landesregierung im Amt. Ein leichter Start war es nicht: Nach nur zwölf Tagen Amtszeit wurde Michael Braun im Zuge der Schrottimmobilien-Affäre als Justiz- und Verbraucherschutzsenator entlassen. Erst im Januar begann die eigentliche Regierungsarbeit. Auch die Oppositionsfraktionen Grüne, Linke und Piraten sind nur langsam in Tritt gekommen. Wie fällt die Bilanz nach 100 Tagen Rot-Schwarz aus? In dieser Woche widmen wir uns nacheinander der Arbeit der fünf Fraktionen im Abgeordnetenhaus und abschließend dem bisherigen Wirken des Senats. Hier können Sie mitdiskutieren und den Senatorinnen und Senatoren Schulnoten für ihre bisherige Leistung geben.

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