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Abgeordnetenhaus: Wechselhafte Stimmung

Turbulenter Tag im Plenum: Abgeordnete debattieren über Halbzeitbilanz von Rot-Rot und die Fraktionsaustritte bei SPD und Grünen.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Nach dem munteren Austausch weiblicher Parlamentarier wollten die Grünen gleich zu Beginn der Plenarsitzung testen, ob die rot-roten Mehrheitsverhältnisse wieder gefestigt sind. Die Grünen-Fraktion beantragte einen Hammelsprung zum Antrag der Regierungskoalition, in der Aktuellen Stunde über die „erfolgreiche Arbeit der rot-roten Koalition“ zu sprechen. Also versammelten sich die anwesenden 148 Parlamentarier in der Wandelhalle. Einer nach dem anderen marschierte durch eine der drei Türen in den Plenarsaal. Geschlossen lief die Opposition durch die linke Tür mit der Aufschrift „Nein“, auch die neue Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Die Abgeordneten von SPD, Linken und die noch fraktionslose Abgeordnete Bilkay Öney schritten einträchtig durch die rechte Tür mit der Aufschrift „Ja“. Die Mitteltür mit der Aufschrift „Enthaltung“ wurde gemieden.

Aber dann musste der Hammelsprung wegen eines „Zählfehlers“ des Präsidiums, wie Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) einräumte, wiederholt werden. Das Ergebnis der zweiten Auszählung war dann eindeutig: 76 der 149 Berliner Parlamentarier stimmten mit Ja, 72 mit Nein. Rot-Rot hatte sogar vier Stimmen Vorsprung vor der Opposition, weil der CDU-Abgeordnete Peter Luther wegen eines Klinikaufenthaltes fehlte. SPD-Fraktionschef Michael Müller kommentierte den Vorgang mit den Worten: „Was für ein alberner Zirkus.“

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit warf den Grünen in der anschließenden Debatte Unglaubwürdigkeit vor. „Ich sage es nicht hämisch, sondern bedauernd, dass die Grünen in vielen Themen die gleiche Politik wie Rot-Rot vertreten, aber gleichzeitig öffentlich den Eindruck erwecken, der Politik von CDU und FDP zum Durchbruch verhelfen zu wollen.“ SPD und Linke hätten eine erfolgreiche Politik der sozialen Gerechtigkeit betrieben. Die Mehrheit im Parlament sei knapp, „aber die Koalition steht, und unsere Bilanz kann sich sehen lassen“.

Der FDP-Fraktionschef Christoph Meyer sprach von einer „desaströsen Halbzeitbilanz“ Wowereits. Er kritisierte die Schulpolitik von Rot-Rot, und erhob den Vorwurf, die sozialen Fragen der Stadt würden nicht gelöst. Wowereit warte nur auf den Absprung in die Bundespolitik. Die Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig hieb, die Kritik an Wowereit betreffend, in dieselbe Kerbe. Die SPD sei inzwischen eine autoritär ausgerichtete One-Man-Show, die rot-rote Koalition wurstele selbstgerecht vor sich hin. Der CDU-Fraktionschef Frank Henkel warf Wowereit vor, keinen Gestaltungsanspruch mehr zu haben. Mit Arroganz und Hochmut agiere er sogar gegen eigene SPD-Abgeordnete. Henkel sagte voraus, dass mit den Haushaltsberatungen für 2010/11 und mit den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst die Spannungen innerhalb der Koalition zunehmen werden.

Auch die Spannungen im Parlament nahmen an diesem Tag zu. Als die FDP in einem Antrag eine Aussage Wowereits Ende März verurteilen wollte, kam es zum Eklat. Wowereit hatte während der 200-Jahrfeier des Berliner Polizeipräsidiums gesagt, dass sich bei den Angestellten „vielleicht in den nächsten 200 Jahren etwas beim Gehalt tut“. Der CDU-Abgeordnete Florian Graf wollte Wowereit deshalb in den Plenarsaal zitieren. Das wiederum scheiterte in der Abstimmung laut Parlamentspräsident Momper an der rot-roten Mehrheit. Nach Rufen von „Manipulation“ ordnete Momper den Hammelsprung an. Kurz darauf erschien Wowereit im Plenarsaal, der Hammelsprung wurde abgebrochen. Die Grünen beantragten daraufhin eine Sitzung des Ältestenrates, die Plenarsitzung wurde für eine halbe Stunde unterbrochen. Der Ältestenrat hat dem Vernehmen nach über das in den Augen der Opposition unzulässige Fernbleiben von Wowereit bei einem Thema, das ihn direkt betreffe, debattiert. Und es wurde wohl auch der Leitungsstil von Momper kritisiert, der laut Opposition zu parteiisch agiere. Der FDP-Antrag wurde letztlich abgelehnt

Die Abgeordnete Marion Seelig (Linke) sprach anschließend im Plenum von einem „etwas turbulenten Tag“. Sie fügte noch die Worte „außer Rand und Band“ hinzu. Und viele Parlamentarier konnten sich ein breites Grinsen nicht verkneifen – auch nicht in den Oppositionsreihen.

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