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spreedreieck

© Peter Meissner

Affäre um das Spreedreieck: Feine Adresse zum kleinen Preis

Ein Grundstücksgeschäft mit politischen Folgen: Zwei Eigentumsbescheide, zwei Kaufverträge und unzählige Architekturmodelle – wie konnte es zur Affäre an Berlins prominenter Ecke kommen?

Die Affäre um das Spreedreieck in Mitte ist kompliziert – wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

WAS IST PROBLEMATISCH AN DEM KAUFVERTRAG AUS DEM JAHR 2000?

Das Land hat im Dezember 2000 das 2109 Quadratmeter große Grundstück an der Spitze des Spreedreiecks an den Hamburger Projektentwickler Harm Müller-Spreer verkauft, ohne für einen Teil der Fläche der Eigentümer zu sein. Das stellte sich jedoch erst im September 2001 heraus, als die Oberfinanzdirektion ihren eigenen Zuordnungsbescheid für die Eigentumsrechte aus dem Jahr 1995 widerrief und einen Teil der Fläche nun der Deutschen Bahn zusprach. Bei diesen Flächen handelt es sich um einen Eingang zum unterirdischen S-Bahnhof Friedrichstraße am Reichstagsufer und den Tunnel der Nord-Süd-Bahn, der das Grundstück tangiert. Das Land hatte jedoch mit der Zusage verkauft, das Areal sei frei von allen Lasten und könne mit einem 15 000 Quadratmeter großen Haus bebaut werden. Diesen Vertrag konnte das Land nun nicht mehr erfüllen, Müller-Spreer verlangte Schadensersatz.

WARUM HAT DAS LAND GEGEN DEN BESCHEID NICHT PROTESTIERT?

Nach Aussage der Finanzverwaltung hätte ein Widerspruch keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im November 2000 in einem ähnlich gelagerten Fall – es ging um eine Gleis- und Tunnelanlage in Pankow – für die Bahn entschieden. Also sah die Verwaltung keine andere Möglichkeit, als den neuen Bescheid anzuerkennen.

NACH WELCHEN LÖSUNGEN WURDE DANACH GESUCHT?

Zunächst verhandelte das Land mit der Bahn, um das Teilstück des Areals zu übernehmen und Müller-Spreer zu übergeben. Die Bahn verlangte nach Angaben der Finanzverwaltung aber 1,3 Millionen Euro für die 200 Quadratmeter große Fläche und das Recht, jederzeit von allen Seiten an den S-Bahn-Tunnel heranzukommen – für Bauarbeiten zum Beispiel. Die Finanzverwaltung befand, dies sei Müller-Spreer nicht zuzumuten; die Verhandlungen scheiterten im Dezember 2002.

HÄTTE MÜLLER–SPREER NICHT EINFACH HÖHER BAUEN KÖNNEN, UM DIE 15 000 QUADRATMETER UNTERZUBRINGEN?

Wahrscheinlich schon. Müller-Spreer plante sogar mit einem Turm von 150 Metern und 40 Stockwerken und sagt, Ex-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) habe ihm diesen Turm versprochen. Davon will Strieder heute nichts wissen und dementiert das. Seine Verwaltung sperrte sich seinerzeit gegen ein Hochhaus. Einer der Gründe: Der freie Blick vom Balkon des Kanzleramtes auf die Museumsinsel (vor allem das Bode- Museum) sollte erhalten bleiben. Dieser „Kanzlerblick“ tauchte in den Diskussionen auf. Auch deshalb sollte das Gebäude nicht höher als 30 Meter sein.

WIE SOLLTE DAS GELINGEN?

Bauherr und Stadtentwicklungsverwaltung luden diverse Architekturbüros ein, nach Lösungen zu suchen. Am Ende dieses Wettbewerbs standen drei prämierte Entwürfe, wobei sich Müller-Spreer für den Drittplatzierten, den Vorschlag von Mark Braun, aussprach. Braun hatte auch den 150-Meter-Turm entworfen, und sah nun ein verschachteltes Bürogebäude vor. Das wird nun aber gar nicht gebaut, sondern eine kleinere Version des 150-Meter-Turms. Der Haken an allen Entwürfen: Sie waren auf dem ursprünglichen Grundstück nicht unterzubringen, Müller-Spreer brauchte zusätzliche Flächen auf dem Spreedreieck. Der Senat zeigte sich verhandlungsbereit.

WIE EINIGTE MAN SICH?

Im November 2004 schlossen beide Seiten einen neuen Vertrag. Zu seinem um 200 Quadratmeter verkleinerten Grundstück (das jetzt rund 1900 Quadratmeter groß war) erhielt Müller-Spreer zwei weitere jeweils 1852 und 1434 Quadratmeter große Grundstücke dazu – unentgeltlich. Außerdem bekam er 8,7 Millionen Euro Entschädigung, ein zusätzliches Geschoss für seinen Bau, der somit um 2500 Quadratmeter größer ausfiel, also oberirdisch nun 17 500 Quadratmeter maß. Und er bekam die Zusage, bis Ende 2006 eine Baugenehmigung in den Händen zu haben. Mit diesem Vertrag brachte sich der Senat wieder unter Zugzwang.

WARUM?

Das Baurecht musste relativ schnell geschaffen werden, die Stadtentwicklungsverwaltung entschied sich, das Bebauungsplanverfahren aus zeitlichen Gründen nicht neu aufzurollen, sondern das alte Verfahren weiterzuführen. Ein Fehler, wie sich später herausstellte, denn die Abwägung für das nun über 40 Meter hohe Gebäude war fehlerhaft und öffnete einer Klage Tür und Tor. Am Ende hatte Müller-Spreer die Genehmigung für einen Bau mit jetzt 20 500 Quadratmetern.

DAS SIND NOCH EINMAL 3000 QUADRATMETER MEHR ALS IM VERTRAG.

So sieht das auch die Opposition. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge- Reyer (SPD) sagt, aus stadtplanerischer Sicht sei das vertretbar. Anders ausgedrückt: Müller-Spreer und die Stadtplaner aus Junge-Reyers Verwaltung legten die zusätzlichen Flächen drauf, weil das Gebäude in seinen Proportionen ihrer Meinung nach so besser aussah. Fest steht, Politiker von CDU, FDP und SPD wollten Müller-Spreer im August 2006, bei einer Diskussion im Bauausschuss, ein Gebäude genehmigen, das noch höher als die jetzt zugesicherten zehn Geschosse sein sollte. Sie setzten sich jedoch nicht durch.

WAS KOSTET DAS ABENTEUER AM SCHLUSS DEN STEUERZAHLER?

Das ist strittig. Die Opposition schätzt den Schaden auf bis zu 25 Millionen Euro, Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sagt, es bleibe ein Gewinn von 3,8 Millionen Euro. Müller-Spreer hatte 1,5 Millionen Euro an den Senat und 15,5 Millionen an Max Reinhardts Erben gezahlt, die das Land entschädigen musste, dies aber lieber über ein Grundstücksgeschäft als über Geldzahlungen abwickelte. Selbst wenn man Sarrazins Rechnung akzeptiert, wäre es ein Schnäppchenpreis. Zum Vergleich: An der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden soll der Eigentümer für das rund 2300 Quadratmeter große Grundstück rund 40 Millionen Euro bezahlt haben – das wären etwa 17 300 Euro pro Quadratmeter. Am Spreedreieck verdient Berlin – alle drei Grundstücke zusammengenommen – rund 730 Euro pro Quadratmeter.

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