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Akteneinsicht: Kurras-Fall: Birthler-Behörde bekommt Zulauf

Der "Fall Kurras" beschäftigt Besucher der Birthler-Behörde. Derzeit beantragen mehr Menschen als zuvor Einsicht in ihre Stasi-Akten.

Die beiden ledernen Sitzgruppen im Warteraum lässt sie unberührt, die schlanke 65-jährige Besucherin steht lieber. Und tut das, worüber sie schon häufig nachgedacht hat: Sie füllt das Antragsformular aus – und beantragt Einsicht in ihre Stasi-Akte.

Mit dem „Fall Kurras“ habe das allerdings nichts zu tun, sondern mit einem Krimi, der am Wochenende im ZDF gelaufen sei. „In diesem Film ging es auch um die DDR-Vergangenheit einer Figur, und da habe ich mir gesagt, jetzt mache ich es“, sagt sie. Sie ist davon überzeugt, dass über sie eine Akte existiert – denn ihre Schwester und ihr Vater sind lange vor der Wende in den Westen gegangen. Die Schwester und sie selbst seien zuvor einige Male auf der Autobahn von der Stasi verfolgt worden. „Irgendwann haben wir dann sogar die Gesichter erkannt“, erinnert sie sich. Dass die Birthler-Behörde im Fall Kurras schlecht gearbeitet hat, glaubt die Antragstellerin nicht. „Aber die Stasi hat gut gearbeitet“, sagt sie, und schaut auf die gegenüberliegende Wand: Dort sind in Überlebensgröße ein paar Regalmeter mit Akten abgebildet, wie auf einer riesigen Fototapete.

Draußen, an der Empfangstheke, erzählen die Männer vom Sicherheitsdienst, dass die Zahl der Anträge in den letzten Tagen ein wenig gestiegen sei. „Vielleicht um 20 bis 30 Prozent“, schätzt einer der dunkelblau gekleideten Herren. Damit bezieht er sich allerdings nur auf die Formulare, die er und seine Kollegen entgegengenommen haben: Denn Antragsteller können das Formular auch per Post senden oder bei der Bürgerberatung abgeben. Dort haben am frühen Nachmittag neun Besucher vorgesprochen. Insgesamt wollten 2007 mehr als 100 000 Menschen ihre Akten sehen, 2008 dann 87 000. Und in diesem Jahr waren es pro Monat schon mehr als 10 000. Ob die Antragsteller aus dem Westen oder Osten kommen, wird statistisch nicht erfasst.

An kleine und große Zuwächse sind die drei Sicherheitsmänner gewöhnt: Normalerweise seien es Filme, die vielen Menschen den letzten Schubs dazu gäben, endlich in die Karl-Liebknecht–Straße zu kommen, zum Beispiel „Das Leben der Anderen“ oder die Produktion „Wir sind das Volk“. Und manche Antragsteller, die sich endlich zu einem Besuch durchgerungen hätten, erzählten an der Theke dann auch ihre Lebensgeschichte.

Es ist Mittagspausenzeit, viele Mitarbeiter der Behörde gehen durch das Drehkreuz nach draußen. Und kommen – fast alle – mit in Papier eingeschlagenen Blumensträußen zurück. „Vielleicht ein Geburtstag“, überlegt einer der Sicherheitsmänner, und nimmt den Besucherschein eines älteren Herren entgegen, der im Schnellschritt aus dem Gebäude zur Straßenbahn läuft. Der große Mann mit den langen Beinen ist öfter in der Behörde und liest Akten, zu Forschungszwecken. Seine eigene habe er schon vor vielen Jahren studiert, sagt er. Die neuen Erkenntnisse über denTodesschützen von Benno Ohnesorg und die Rolle der Stasi und der Birthler-Behörde verfolge er gespannt – und glaube nicht, dass man der Birthler-Behörde eine schlampige Arbeitsweise vorwerfen könne. Rita Nikolow

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