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Bürgeramt

© Kai-Uwe Heinrich

Arbeitskampf: Weil zwei sich streiten, wartet der Bürger

Die Fronten verhärten sich, aber es ist zweifelhaft, ob der Streik im öffentlichen Dienst überhaupt rechtmäßig ist. Bislang scheut der Senat den Gang zum Gericht.

Ein Streikende im öffentlichen Dienst ist nicht in Sicht: Die Fronten sind verhärtet, die Verhandlungen gescheitert, aber die Gewerkschaften wollen nicht aufgeben. Dabei ist umstritten, ob der Arbeitskampf rechtmäßig ist. Voraussetzung dafür wäre, dass es keinen gültigen Tarifvertrag gibt. In Berlin existiert aber der sogenannte Anwendungstarifvertrag, der noch bis 2015 läuft. Darin ist geregelt, wer wie lange arbeiten muss und für welche Bezahlung, und dass es bis zum Ende der Laufzeit keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. Ein Streikrecht wird darin grundsätzlich ausgeschlossen – die Formulierung ist aber wolkig genug, um Interpretationen zuzulassen.

Die Gewerkschaft Verdi hält den Streik für rechtmäßig. Das leite sich aus den Regelungen im Vertrag ab, die die Bundesebene betreffen. Wenn es dort zu Kündigungen komme, schlage das auf den Berliner Vertrag durch. Solche Kündigungen gab es – und zwar auf Betreiben von Verdi mit dem Ziel, aus der Friedenspflicht herauszukommen. Da im Bundesgebiet außerdem die Tarife erhöht wurden, ergab sich auch für die Berliner Tarifvertragsparteien das Recht auf neue Verhandlungen und, wie Verdi-Verhandlungsführerin Astrid Westhoff überzeugt ist, auf Arbeitskampf. Für die Bürger, die auf Ämtern stundenlang warten müssen, hat Westhoff keinen Rat. „Die Verantwortung für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes hat die Landesregierung.“

Die Neuköllner Stadträtin für Bürgerdienste, Stefanie Vogelsang (CDU), schilderte die Situation Ende der Woche so: „Der erste Bürger stand seit 5.30 Uhr da, obwohl wir erst um 11 Uhr geöffnet haben. Alle 350 Wartemarken waren binnen 30 Minuten vergeben. Die Leute standen in doppelter Schlange bis in den Keller und wieder nach oben.“ Immer wieder kommt es hier zu Tumulten, trotzdem sagt Vogelsang: „Es gibt eine große Solidarität mit den Streikenden.“ In Mitte klingt das verhaltener. Wirtschaftsstadtrat Joachim Zeller (CDU) sagt, die Motivation seiner Mitarbeiter habe unter den Klagen entnervter Bürger stark gelitten.

Das Land Berlin könnte jetzt vor Gericht ziehen, um klären zu lassen, ob gestreikt werden darf. Das will Innensenator Ehrhart Körting (SPD) aber nicht. Er glaubt, dass nur Verhandlungen den Streit lösen können. Sein Einmal-Zahlungs-Angebot aber haben die Gewerkschaften abgelehnt. Auch die Rechtspolitiker der Opposition halten nichts von einer Feststellungsklage. Björn Jotzo (FDP) glaubt, dass dies „die Fronten nur noch mehr verhärten“ würde. Am Ausgang des Streiks werde sich hingegen nichts ändern. Der sei erfolglos und werde erfolglos bleiben, sagt Jotzo. Problematisch an der Auseinandersetzung ist aus der Sicht des FDP-Mannes nicht der Streik, sondern die Tatsache, dass der Senat dem öffentlichen Dienst keine Perspektiven biete. Auch wenn 2009 verhandelt werde, stehe doch alles, was der Senat verspreche, unter einem Haushaltsvorbehalt. CDU-Rechtspolitiker Sven Rissmann sieht es ähnlich. Eine Klage würde am Ausgang des Streiks nichts ändern, denn die Entscheidung in der Hauptsache werde erst fallen, wenn der Anlass für die Klage gar nicht mehr gegeben sei.

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