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Friedbert Pflüger

© Thilo Rückeis

Berliner CDU: Pflügers Kurswechsel ist vielen zu schnell

Die parteiinterne Kritik an CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger wächst. Vor Verlust von konservativen Werten wird gewarnt.

Der Satz zeugt von kräftigem Selbstbewusstsein. „Ich will Regierender Bürgermeister werden und muss an die ganze Stadt denken, nicht nur an die eigenen Partei.“ Das sagte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger am vergangenen Montag im Interview mit dieser Zeitung. In der Partei aber, die Pflüger so deutlich hintan stellte, sind einige über seine Ansage durchaus verärgert. Vorbei ist die Zeit, in der alle wie ein Mann hinter ihrem aus Niedersachsen importierten Spitzenkandidaten für die Wahl im September 2006 standen und auf ihn nichts kommen ließen.

Die freundlichsten Kommentare zu Plfügers Äußerungen über seinen Führungsanspruch, sein Interesse an einer Jamaika-Koalition, seine Vorstellungen von der modernen Großstadt-CDU besagen, die Reaktionen an der Basis seien „geteilt“ – zum Teil also durchaus positiv. Dass der Fraktionschef, der für die CDU bei der Wahl 21,3 Prozent holte, seine „Führungsrolle“ betonte, hielten manche in der Union für dringend nötig. Womöglich sei Pflüger stärker als es scheine, sagte einer, der es gut mit ihm meint, über den Politiker, dessen einzige Machtbasis die Fraktion darstellt.

Doch längst gibt es einige, die mit Pflügers Kurs so wenig einverstanden sind wie mit seinem Führungsstil. Ihnen schwebt Pflüger zu weit über der Partei. Seine Sätze hätten die Zuneigung zu ihm nicht gerade gesteigert, sagt ein CDU-Vormann sarkastisch. Ein anderer sagt, Pflügers Äußerungen seien „absolut schlecht angekommen“. Ein dritter hat wahrgenommen, dass es Christdemokraten gibt, die glauben, dass Pflüger womöglich „in der falschen Partei“ sei.

Vielleicht ist es die Polit-Langeweile des Sommers, die zu den Reibereien in der CDU geführt hat. Seit ein paar Wochen jedenfalls kommen die Worte „Harmonie“ und „Geschlossenheit“ im Wortgebrauch der Führungsleute deutlich seltener vor. Dafür gibt es auch inhaltliche Gründe. Pflügers Jamaika-Kurs erscheint zwar auch den Konservativen in der Union richtig. Doch die erinnern ihn auch ständig daran, dass er auf diesem Weg die Partei „mitnehmen“ müsse – und haben immer mehr den Eindruck, dass er das nicht will oder kann. Der Fraktionschef rede zu viel von Atomkraft, auf die er verzichten wolle, aber zu wenig von konservativen Werten, sagt einer. Gerade jüngere Leute vermissten das.

Was mit Verbrechensbekämpfung, Sicherheit und Ordnung zu tun hat, bleibt einzig und allein Frank Henkel, dem Generalsekretär, überlassen. CDU-Kernthemen, der Streit um Videoüberwachung oder geschlossene Heime, schienen Pflüger nicht zu interessieren. Sein forscher Abschied von der Hauptschule, verkündet nach der Fraktionsklausur in Neuruppin, sei vielen zu schnell gekommen – wenn der Fraktionschef so weiter mache, dann stehe er bald „allein auf weiter Flur“, sagt ein Abgeordneter.

Pflügers Kritiker tun sich mit der Kritik derzeit nicht schwer. Das liegt auch daran, dass die Bemühungen des CDU-Frontmannes die Beliebtheit der Union nur sehr langsam steigern. Die Berliner Union steht bei 24 Prozent – ihr alter Abstand zur Bundespartei bleibt also. Zudem reden bei den Grünen auch nicht alle in Pflügers Sinn. Neben den Jamaika-Befürwortern machen in der Grünen-Fraktion weiterhin wortmächtig die Politik, die ihre Partei nur als Juniorpartner der SPD schön finden.

So hat es Pflüger nach einem Dreivierteljahr Opposition nicht leicht – mit Freunden so wenig wie mit Gegnern. Seine Mitstreiter hören zwar kritische Worte über ihn, finden den Streit „sachlich“. Pflügers Anspruch, die Partei zu verändern und im nächsten Wahlkampf zu führen, steht noch nicht in Frage. Doch Landeschef Ingo Schmitt, der Mann, der Pflüger holte, bekräftigte vor kurzem, er „bleibe auf der Brücke“, so lange Rot-Rot regiert. Anders gesagt: Nichts geht ohne oder gegen ihn. Werner van Bebber

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