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Berliner Finanzen: Zum zweiten Mal ein Plus

Das hätte Thilo Sarrazin vor einigen Jahren nicht zu träumen gewagt: Berlins Finanzsenator hat ein Luxusproblem - der Überschuss im Etat für 2008 fällt ein wenig niedriger aus als geplant. Die Finanzlage Berlins ist entspannt wie lange nicht mehr, aber noch labil. Bis 2012 sollen zwei weitere Schulden-Milliarden wegfallen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wie sich die Zeiten ändern. Als Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) 2002 sein Amt antrat, erreichten die Berliner Steuereinnahmen (samt Finanzausgleich) mit 10,4 Milliarden Euro einen traurigen Tiefpunkt. Dagegen lassen in diesem Jahr 14,4 Milliarden Euro Steuergelder die Landeskasse fröhlich klingeln. Auch diese Mehreinnahmen halfen, im Laufe der Jahre eine Finanzlücke von fünf Milliarden Euro zu schließen. Jetzt muss sich Sarrazin fast dafür entschuldigen, dass der Überschuss im Etat 2008 mit 410 Millionen Euro etwas niedriger ausfällt als geplant. Ein Luxusproblem. 2007 gab es 91 Millionen Euro Überschuss.

Es waren aber nicht nur der Wirtschaftsboom und die Mehrwertsteuererhöhung, die das hoch verschuldete Berlin vor dem finanziellen Kollaps bewahrten. Ohne harte Ausgabenkürzungen, die nachhaltig wirken, wäre der neue Geldfluss versickert. Alle Sparmaßnahmen seit 2004 summieren sich langfristig auf 2,5 Milliarden Euro. Tragende Säulen der Konsolidierung sind der Abbau der sozialen Wohnungsbauförderung und des öffentlichen Personals (inklusive Solidarpakt). Die Verwaltung wurde modernisiert, man baute um, lagerte aus, privatisierte und machte dicht. Trotz alledem musste der Senat im Herbst 2006, nach der gescheiterten Notlageklage beim Bundesverfassungsgericht, fast den Offenbarungseid leisten. Da kam der bundesweite Aufschwung und alle rieben sich die Augen. Auf einmal war Geld da.

Zudem gelang es Sarrazin 2007, mit dem Verkauf der Landesbank Berlin für 5,3 Milliarden Euro die furchterregenden Risiken aus den Immobiliengeschäften der früheren Bankgesellschaft zu neutralisieren. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Berlin – gemeinsam mit anderen armen Ländern – eine Entschuldungshilfe bekommt. Dann könnten die jährlichen Zinskosten von 2,4 Milliarden Euro wohl um einige hundert Milllionen Euro gesenkt werden. Das wäre, sagt sogar der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, besser als nichts. Auch die Hauptstadtfinanzierung des Bundes entlastet allein den Berliner Kulturetat jedes Jahr um mehr als 500 Millionen Euro.

Die Finanzlage Berlins ist also entspannt, zum ersten Mal seit dem Mauerfall. Aber der Finanzsenator warnt immer wieder vor Übermut. Von einem Konjunktureinbruch sei bisher zwar nichts zu spüren, aber das werde sich irgendwann ändern. Bis 2012 plant der Senat noch mit dem Aufschwung, bis dahin sollen mit den jährlich erzielten Überschüssen die ersten zwei von 60 Milliarden Euro Schulden abgebaut werden.

Dennoch bleibt der Berliner Haushalt instabil. Nach Berechnungen der Finanzverwaltung müssen die öffentlichen Ausgaben bis 2020 noch um eine Milliarde Euro gekürzt werden. Einerseits, um den schrittweisen Abbau der Solidarpaktmittel des Bundes für Ostdeutschland auszugleichen. Andererseits, um die Kreditzinsen aus eigener Kraft zu zahlen, ohne sich neu zu verschulden. Erst dann ist der Landesetat nachhaltig ausgeglichen.

Der Grünen-Experte Jochen Esser ist skeptisch, dass dies gelingt. Die Finanzreserven Berlins seien noch viel zu gering, um der nächsten Wirtschaftskrise gewachsen zu sein. Außerdem nehme in der Koalition der Einfluss der Linken mit ihren Begehrlichkeiten zu. Auch das Ende des Solidarpakts für den öffentlichen Dienst werde die Personalausgaben 2010 nach oben treiben.

Esser sieht im Sanierungsstau bei den landeseigenen Gebäuden (1,1 Milliarden Euro), in den Wohnkosten für Hartz -IV-Empfänger und den Verkehrsbetrieben große Finanzrisiken. Aber er weiß auch, dass es in Berlin nur noch „einen ganz großen Posten gibt, der sich für die weitere Haushaltskonsolidierung eignet, und das ist das Personal.“ Stellenabbau und Tarifpolitik – heiße Themen bis zur Wahl 2011. Ulrich Zawatka-Gerlach

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