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© Thilo Rückeis

Berliner Parteien: Westler treten schneller ein, Ostler schneller aus

Berlins große Parteien tun sich schwer mit ihren Mitgliedern: SPD, CDU oder Linke verloren in den vergangenen Jahre Teile ihrer Basis. Werner van Bebber hat nach den Gründen gefragt.

Sie haben es nicht mit den Parteien. Berliner treten seltener als der deutsche Durchschnittsbürger einer politischen Organisation bei. Nur 1, 5 Prozent der Hauptstadtbewohner sind Parteimitglieder – im Bundesdurchschnitt sind es 2, 05. Dass viele lieber Abstand zur Politik halten, hat Folgen. Die Rekrutierung des politischen Nachwuchses und der Kandidaten für Ämter und Wahlen ist vergleichsweise kleineren Gruppen überlassen.

Diplomarbeit über Berlins Parteienlandschaft

Der junge Politikwissenschaftler Mathias Bauer von der Freien Universität hat in seiner Diplomarbeit untersucht, wie sich die fünf wichtigsten Berliner Parteien zwischen 1990 und 2006 verändert haben. Dabei sind ihm interessante Beobachtungen gelungen, auch solche, die nicht allein für Berlin gelten. Berlin, sagt Mathias Bauer, bilde den Gegensatz zwischen westdeutschen und ostdeutschen Grundeinstellungen zur Politik sozusagen innerhalb der Stadtgrenzen ab. Westler, hat er herausgefunden, binden sich eher an eine Partei; Ostler treten eher wieder aus. Damit bestätigt sich in Berlin, was der Vergleich zwischen west- und ostdeutschen Bundesländern zeigt: Parteien wirken im Westen attraktiver als im Osten. Der Ost-West-Gegensatz ist nicht die einzige Seltsamkeit in der gesamtberliner Parteienlandschaft. Auch am Umgang mit der Macht zeigen sich krasse Unterschiede. So hat die Linkspartei, als sie noch PDS hieß, heftige Mitgliederverluste erlitten, die nur durch das Mitregieren in der ersten rot-roten Koalition zu erklären sind. Nach Bauers Untersuchung traten seit 2000 immerhin 37,5 Prozent der PDS-Mitglieder aus der Partei aus. Zuvor, als die PDS in den Jahren nach dem Untergang der DDR und der Transformation zur SED-Nachfolgepartei ihre Identität suchte, zwischen 1993 und 1999, lag die Austrittsquote mit 31,6 Prozent deutlich niedriger. Neuerdings hat sich der Frust der Mitglieder womöglich etwas abgemildert. Die Mitgliederzahl am Ende des Jahres 2008 sei „stabil“, sagt Thomas Barthel, Sprecher der Berliner Linkspartei. Die letzten Daten zur Mitgliedschaft sind von der Jahreswende 2007/08: Da hatte die Sozialisten-Partei 9154 Mitglieder.

Bei der CDU hatte der Machtverlust durch den Bankenskandal vergleichbare Folgen. Der Skandal, die damit einhergehende Enttäuschung der Mitglieder führte zu einer Austrittswelle. Die Hauptstadt-CDU schrumpfte von 2001 bis 2003 von 16 000 auf 13 700 Mitglieder. Wie Brauner herausgefunden hat, waren die Ost-Berliner Christdemokraten sensibler für den Skandal als West-Berliner Parteimitglieder. Hier gaben 8 Prozent der CDUler ihre Parteimitgliedschaft auf, im Osten waren es 16,7 Prozent.

SPD vom Streit um Hartz IV-Gesetze belastet

Die Berliner SPD machte in den Jahren danach eine anders begründete, aber vergleichbare Erfahrung: Sie verlor im Streit über die Hartz-Gesetze in wenigen Jahren rund 2000 Mitglieder, wie Brauner darstellt. In den westlichen Neubausiedlungen Berlins in Spandau, Reinickendorf und Neukölln sei die Zahl der Austritte besonders hoch gewesen, schreibt der Politikwissenschaftler – „hier trafen die Reformen die sozialdemokratische Basis ins Mark“. Die Mitgliederzahl der SPD sank zwischen 2002 und 2005 von rund 19 000 auf rund 17 000 Genossen - 14,3 Prozent. Weil die Partei im Ostteil der Stadt keine vergleichbaren Hochburgen hatte, fiel dort der Mitgliederschwund mit 7,3 Prozent nur etwa halb so stark aus. Auch weiterhin ist die Berliner Parteienlandschaft von Gegensätzen geprägt. Die Linke - eine Ostpartei, die CDU - eine Westpartei. Die FDP, heute etwa 3000 Mitglieder stark, hat ebenfalls im Westen ihre Hochburgen. Die SPD indes weist laut Brauner „eine kontinuierliche, wenn auch nur langsame Anpassung der Kräfteverhältnisse der Mitgliederzahlen zwischen Ost und West auf“. 2006 waren 35,6 Prozent der SPD-Mitglieder in den Ost-Berliner Verbänden organisiert. Ende 2008 hatte die Partei laut Sprecher Hannes Hönemann 15883 Mitglieder - Tendenz: ganz leicht fallend. Im Westen und im Osten der Stadt gleichmäßig verankert sind heute nur die Grünen. Sie hatten einer Sprecherin zufolge Ende 2008 genau 4065 Mitglieder in Berlin und konnten im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von 112 Personen verzeichnen.

Brauner ist vorsichtig mit allen Schlussfolgerung aus den Parteistrukturen für die Politik und zumal für Inhalte und Themen. Bei der CDU hat er einen Ausnahme gemacht. Denn ausgerechnet die Partei der Einheit wird wohl wegen ihres massiven Übergewichts im Westen in den Ost-Bezirken nicht vorankommen. Weil die starken West-Kreisverbände vor allem bei Aufstellen der Kandidatenlisten Absprachen treffen und dominieren, bleiben die östlichen Kreisverbände stets außen vor - und sind entsprechend unattraktiv für Kandidaten. Die „Marke“ CDU sei im Osten nicht mehr präsent, schreibt Brauner. Nichts deutet darauf hin, dass sich die heute 12 500 Mitglieder starke Partei in dieser Hinsicht ändern wird. Werner van Bebber

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