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Bewertungssystem: Gastwirte müssen keine Smileys aushängen

Ab 1. Juli soll das Bewertungssystem für Lokale und Lebensmittelbetriebe berlinweit gelten. Doch der Senat hat rechtliche Bedenken.

Fast wäre es soweit gewesen und Kommentare wie „Was, da warst du essen? In dem Lokal möchte ich aber keinen Blick in die Küche riskieren” hätten der Vergangenheit angehört. Denn ab 1. Juli wird in ganz Berlin ein Bewertungssystem für Gaststätten und alle Lebensmittel verarbeitenden Betriebe wie Bäckereien und Fleischereien eingeführt – inklusive Kennzeichnungspflicht. Geplant war, dass ein Betreiber direkt nach der amtlichen Kontrolle einen Smiley anbringen muss, der für Gäste sichtbar in DIN-A5-Größe und in fünf Qualitätsstufen – von weinend bis strahlend – über die Sauberkeit und Hygiene des Betriebes informiert. Diese Verpflichtung zur Kennzeichnung wird nun von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz zurückgenommen. „Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken. Die Betreiber können die Smileys ab 1. Juli aufhängen, sie müssen aber nicht”, sagt Sprecherin Marie-Luise Dittmar.

Nach dem einstimmigen Beschluss der Verbraucherschutzminister für die Einführung von Smileys in ganz Deutschland im September 2010 sollten die gesetzlichen Voraussetzung für die Kennzeichnungspflicht über eine Änderung der Gaststättengesetze der Länder geschaffen werden. „Damit stünden wir aber juristisch auf wackeligen Füßen, es gibt zu viele widersprechende Meinungen dazu“, sagt Dittmar. Die notwendigen Änderungen müssten daher auf Bundesebene erfolgen und man hoffe auf die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes und anstehende Änderungen zum Lebens- und Futtermittelgesetz. „Die Qualitätssiegel sind ein wichtiges Projekt für uns, wir bleiben dran”, verspricht Dittmar. Wie geplant sollen die Ergebnisse der berlinweiten Betriebsprüfungen ab dem Sommer im Internet veröffentlicht werden – allerdings ohne Fotos.

Der Pankower Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), der 2009 als erster deutscher Politiker das Smiley-System eingeführt hat, ist über die Rücknahme „stinksauer”, wie er sagt. „Da geht es nicht um das Verfassungsrecht, sondern um das Einknicken vor der mächtigen Lebensmittellobby“, meint Kirchner. Die spiele lieber Mittelalter, als die Bürger so umfassend aufzuklären, wie es das Verbraucherinformationsgesetz von 2008 vorsehe, so der 51-Jährige. „Es gibt in Dänemark und den USA längst ähnliche Bewertungssysteme und das sind auch Rechtsstaaten”, sagt Kirchner. Außerdem liege der von Senatorin Katrin Lompscher (Linke) geführten Gesundheitsverwaltung ein ausführliches staatsrechtliches Gutachten vor mit dem Resultat, dass man die juristischen Voraussetzungen für die Kennzeichnungspflicht nur über eine Verwaltungsverordnung schaffen könne. Auch der stellvertretende Geschäftsführer der Verbraucherorganisation „foodwatch“, Matthias Wolfschmidt, kritisiert die Entscheidung und bezeichnet Lompschers Umschwenken als „Wortbruch“. „Bundesweit sprechen sich 93 Prozent, in Berlin sogar 97 Prozent der Bürger für die Einführung des dänischen Smiley-Systems aus“, sagt Wolfschmidt mit Bezug auf eine repräsentative Emnid-Umfrage.

Kirchner will nun mit dem Senat sprechen, ob er sich der neuen Entscheidung zugunsten einer einheitlichen Regelung beugen muss. Wenn nicht, sind zumindest die Pankower Gaststättenbetreiber ab 1. Juli verpflichtet, die Sauberkeit in ihrem Betrieb mit lachenden oder weinenden Smileys auszuweisen. Die aktuellen Bewertungslisten aus Pankow sind auf den Internetseiten des Bezirks veröffentlicht, 45 Betriebe stehen auf der Positiv-, 16 auf der Negativliste. Die Mängel sind zurzeit noch mit Fotos dokumentiert. Eva Kalwa

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