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Das Wahrzeichen der Berliner Mitte: Der Fernsehturm.

© ddp

Bezirkswahlen: Kampf um die Mitte

Ex-Bundesministerin Andrea Fischer will für die Grünen die SPD-Hochburg erobern. Konkurrent und Amtsinhaber Christian Hanke (SPD) will auch wieder antreten.

Von Sabine Beikler

Zwei Dutzend grüne Deckenstrahler schaffen ein surreal wirkendes grünes Universum. Der Saal in der Grünen-Bundesgeschäftsstelle, die Poster an den Wänden, 70 Parteimitglieder und Andrea Fischer sind in einen grün-gelben Lichtschleier gehüllt. „So schlecht sehe ich nicht aus“, frotzelt die Bundesgesundheitsministerin a. D. und zeigt nach oben. „Ich habe gemerkt, dass ich wieder Lust habe, mich politisch einzumischen. Mitte ist alles, was Berlin ausmacht, von sozialen Problemen, einer Kreativszene bis hin zur großen Politik.“ Im Herzen der Hauptstadt will die 51-Jährige Bezirksbürgermeisterin werden. Nach zehnjähriger Politikabstinenz stellt sie sich am Dienstagabend der Parteibasis vor.

Fischers Konkurrenz ist stark: Mitte ist traditionell Hochburg der SPD, die mit Christian Hanke seit 2006 den Bürgermeister stellt. Bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung 2006 kam die SPD auf 32,6 Prozent vor der CDU mit 19,5 Prozent, den Grünen mit 18,1 Prozent, den Linken (12,4 Prozent) und der FDP (5,9 Prozent). SPD-Politiker Hanke will in diesem Jahr wieder antreten. Auch CDU-Stadtrat Carsten Spallek kandidiert in Mitte. Bei den Linken will Stadträtin Petra Schrader die Bezirksliste anführen. Auf einen Bürgermeisterkandidaten verzichtet die Partei. Wenig Erfolgschancen wird wohl auch der FDP-Kandidat Peter Pawlowski haben.

In Mitte mit seinen rund 320 000 Einwohnern prallen Welten aufeinander: Touristen, Politiker, Szenegänger, Nachtschwärmer, aber auch viele Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, Migranten und Jugendliche ohne Berufsperspektive. Der Bezirk beheimatet neben Szene und Schicki-Micki in der Neuen Mitte auch den grünen Tiergarten mit Hansaviertel und dem Botschaftsviertel im Süden und Wedding mit sozialen Brennpunkten wie Leopoldplatz, Gesundbrunnen oder Soldiner Straße. Erst vor kurzem hat der Senat sieben neue Sanierungsgebiete in sozial benachteiligten Kiezen festgelegt, darunter die Turmstraße, die Müllerstraße und die nördliche Luisenstraße in Mitte.

Hier will Andrea Fischer „helfen, das Leben so zu organisieren, dass niemand zurückgelassen wird“. Von den Kommunen gingen Entscheidungen aus, an denen sich die „Zukunftsfragen der Stadt im Kleinen“ festmachen ließen. Für die ehemalige Ministerin ist der Wechsel von der Bundes- auf die Kommunalebene deshalb kein Widerspruch. „Die Grünen werden für eine bessere Regierung sorgen.“ Dafür werde sie im Bezirk und Renate Künast auf Landesebene kämpfen. Inhaltlich wird Fischer an diesem Abend noch nicht konkret, bittet die Basis um Mithilfe bei der Erarbeitung eines Programms. „Ich will mich hier reinknien.“ Im Mai soll sie offiziell nominiert werden. SPD-Bürgermeister Hanke sieht seine grüne Widersacherin nicht als Bedrohung. „Ihre Kandidatur ist nicht überzeugend. Das ist Effekthascherei von den Grünen, jemanden zu holen, der prominent ist“, sagt der 58-Jährige. Er frage sich, was „eine Pharmalobbyistin mit Mitte zu tun hat“, wie er in Anspielung auf Fischers Arbeit als Beraterin im Gesundheitswesen und frühere Leiterin des medizinisch-pharmazeutischen Bereichs bei der Agentur Pleon sagt.

Die politischen Herausforderungen sieht Hanke in einem sozial ausgewogenen Bezirk, in dem alle Schichten leben können und niemand ausgegrenzt wird. CDU-Stadtrat Spallek bezeichnet Fischers Bewerbung als „beliebig“. Er könne bei ihr nicht den Willen erkennen, etwas für Mitte zu gestalten. „Wenn man Kommunalpolitik macht, braucht man Herzblut, um glaubhaft zu sein.“ Einmal Bundesministerin gewesen zu sein, reiche dafür nicht aus. Ein Kommunalpolitiker müsse den Kiez kennen. Wie Hanke setzt der 39-jährige CDU-Politiker auch auf den sozialen Ausgleich in seinem Bezirk. „Mitte ist nicht nur schön, sondern hat auch seine Problembezirke.“ Es sei Aufgabe der Politik, soziale Spannungen zu verhindern und eine „Kultur des Miteinanders“ zu schaffen. Petra Schrader, Stadträtin der Linken, möchte Fischers Kandidatur nicht kommentieren. Es gehe ihr um eine „sachliche Auseinandersetzung“. Schrader sieht ihr politisches Ziel darin, „dass es den Menschen in Mitte gut geht und jeder eine faire Chance erhält“. Der FDP-Kandidat Pawlowski war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die grüne Parteibasis begrüßte die Kandidatur von Andrea Fischer fast ohne Widerspruch. Sie sei „ganz gerührt, wie nett ihr zu mir seid“, sagte sie. Vor zehn Jahren war das anders: Damals verwehrten ihr die Berliner Grünen einen sicheren Listenplatz für die Bundestagswahl.

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