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Ungewisse Zukunft. Das Bettenhochhaus der Charité in Mitte müsste aufwendig saniert werden. Deshalb ist auch ein Neubau auf dem historischen Campus in der Diskussion. Foto: Heinrich

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Charité: Tauziehen ums Bettenhochhaus

Sanierung oder doch ein Neubau? Die Charité muss dem Senat bis zum 30. September ihre Investitionsplanung vorlegen.

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In der Führungsetage der Charité wird nach wie vor heftig diskutiert, was mit dem maroden Bettenhochhaus in Berlin-Mitte passieren soll. Die Sprecherin des Klinikums, Stefanie Winde, dementierte am Sonnabend Gerüchte, dass sich der Vorstand bereits für einen Neubau auf dem historischen Campus ausgesprochen habe. „Das stimmt einfach nicht.“ Die Charité wird sich wohl Zeit lassen bis zum 30. September. Bis dahin muss dem Senat ein „mit konkreten Baumaßnahmen untersetzter Umsetzungs- und Zeitplan“ vorgelegt werden. Für diese Investitionen stehen insgesamt 330 Millionen Euro zur Verfügung.

Was es aber gibt, sind kontroverse Meinungen über die Frage, ob eine Sanierung des alten Hochhauses oder ein bescheidener dimensionierter Neubau der bessere Weg ist. Für einen 200 Millionen Euro teuren Neubau machten sich im Finanzausschuss der Charité in der vergangenen Woche die internen Befürworter stark. Allerdings plädiert Klinikumschef Karl Max Einhäupl dem Vernehmen nach für die Erhaltung und Sanierung des alten Bettenhauses – unterstützt vom Personalrat. „Der Diskussionsprozess läuft noch“, sagt auch der SPD-Wissenschaftsexperte Lars Oberg. Die wirtschaftlichere Variante, die gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Charité sicherstelle, müsse den Zuschlag erhalten. Das ist auch die Bedingung, die Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) stellt.

Am Freitag tagt der Aufsichtsrat der Charité, dem Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) vorsitzt. Vielleicht wird bis dahin deutlicher, wohin der Weg führt. Fest steht: Die verschuldete Klinik muss nicht nur in Mitte sanieren. Der Senat hatte im Juni die Weiterexistenz der drei bettenführenden Standorte Mitte, Wedding (Rudolf-Virchow) und Steglitz (Benjamin-Franklin) garantiert und 330 Millionen Euro aus dem Masterplan für die Charité freigegeben. Zusätzliche Investitionsmittel wurden für die Haushaltsjahre 2014/15 in Aussicht gestellt. Die ursprünglichen Forderungen der Charité nach mehr als 600 Millionen Euro allein für Investitionsprojekte wurden vom Senat strikt abgelehnt. Das gibt der Not leidende Landeshaushalt Berlins nicht her. Vielleicht gibt es im Rahmen der neu zu verhandelnden Hochschulverträge noch einen Zuschlag für Forschung und Lehre.

Als Sparbeitrag des Klinikums müssen 500 der 3200 Krankenbetten abgebaut werden – noch ist offen, wie viele Betten an den einzelnen Standorten wegfallen. Denn die wirtschaftliche Lage bleibt schwierig. Mit mehr als 19 Millionen Euro geriet die Charité 2009 ins Minus. 2010 strebe der Vorstand wiederum ein Jahresergebnis von minus 19,9 Millionen Euro an, heißt es in der Chefetage. Intern aber befürchten einige ein „Defizit von deutlich mehr als 20 Millionen Euro“. Zu viel Geld versickere, sagt ein Kenner. Allenfalls mit „gutem politischen Willen“ und ordentlich bezahlten Aufträgen lasse sich ein zu großer Verlust abwenden.

Im kommenden Jahr darf die Charité laut Vorgabe des Senats keine Schulden mehr machen. „Das ist nicht zu schaffen“, sagt der Experte. Die Bevölkerung werde im Schnitt immer älter, es gebe mehr Notfälle zu versorgen, und vor allem die Energiekosten stiegen. „Wir sind ein großes Krankenhaus und keine Bank“, heißt es. Rund 130 000 Patienten werden jährlich in der Charité stationär versorgt, dazu eine halbe Millionen Menschen ambulant behandelt. Pro Jahr macht Europas größtes Universitätsklinikum 1,1 Milliarden Euro Umsatz und ist mit 10 400 Vollzeitstellen der viertgrößte Arbeitgeber der Stadt.

Die Macht ihrer Arbeitnehmer dürfte die Klinikumsleistung schon bald deutlich zu spüren bekommen: Es stehen harte Tarifkämpfe an. Für mehr als 5000 Schwestern, Pfleger und Techniker will die Gewerkschaft Verdi nach Tagesspiegel-Informationen mehr als zehn Prozent mehr Lohn für das Jahr 2011 verlangen. In früheren Jahren bewegten sich die Forderungen im einstelligen Prozentbereich. „Das wird eine harte Tarifrunde“, heißt es von beiden Seiten. Die Verdi-Tarifkommission will am Montag über ihr Vorgehen entscheiden.

Derzeit bekommt eine Vollzeitkrankenschwester an der Charité nach zehn Dienstjahren im Schnitt zwischen 2300 und 2600 Euro brutto im Monat. In vielen anderen Kliniken in Deutschland gibt es zehn Prozent mehr Lohn. Zwar ist ein Lohnplus im Krankenhausbudget eingeplant – aber ob dies ausreicht, das Ergebnis der Lohnrunde zu decken, ist offen. Nach einem Streik 2006 waren viele Schwestern und Pfleger der Gewerkschaft beigetreten. Verdi dürfte vor allem in den OP-Sälen streikfähig sein.

Hinzu kommt, dass Ende 2011 auch die knapp 2200 Ärzte der Charité mehr Geld wollen. In der Medizinergewerkschaft Marburger Bund sind besonders viele Charité-Ärzte organisiert. Ein Facharzt mit zehn Dienstjahren verdient zurzeit durchschnittlich 6150 Euro brutto im Monat. Immer noch 50 Euro weniger als etwa die Kollegen im Unfallkrankenhaus Marzahn.

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