zum Hauptinhalt
Senator Nußbaum: Bis 2020 keine höheren Ausgaben.

© dpa

Etatentwurf 2012/13: Das Finanzamt ruft um Hilfe

Bei den Regierungsfraktionen SPD und Linke reift allmählich die Erkenntnis, dass im öffentlichen Dienst nicht mehr so hart und flächendeckend gespart werden kann wie in den vergangenen Jahren.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Den Finanzämtern fehlen 712 Stellen. Damit liegt der Personalbestand der Berliner Steuerbehörde um 10,6 Prozent unter der bundesweit anerkannten Mindestausstattung. Der Landeskasse gingen deshalb jährlich dreistellige Millionenbeträge verloren, sagte der Fachsprecher der Gewerkschaft Verdi, Klaus-Dieter Gössel, am Montag. Steuererklärungen könnten nur noch überschlägig überprüft werden. Allein für Betriebs- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen würden 1036 Stellen benötigt, besetzt seien zurzeit aber nur 876 Stellen.

Es ist nicht der einzige Hilferuf, der den Senat ereilt, der am Dienstag den Haushaltsentwurf für 2012/13 beschließen wird. Die Bezirke fordern für die Bürgerämter 60 zusätzliche Stellen. Die Berliner Polizeibeamten beklagen ihre schlechte Bezahlung und bei den Regierungsfraktionen SPD und Linke reift allmählich die Erkenntnis, dass im öffentlichen Dienst nicht mehr so hart und flächendeckend gespart werden kann wie in den vergangenen Jahren. Der Personalabbau auf 100 000 Vollzeitstellen (momentan sind es 106 000) ist kein zentrales Sparziel mehr. Es soll künftig mehr Neueinstellungen geben, um der Überalterung der Berliner Verwaltung entgegenzutreten. „Wir brauchen dringend ein Personalentwicklungskonzept, das sich an den Aufgaben des öffentlichen Dienstes orientiert“, heißt es in Koalitionskreisen.

Auch eine höhere Besoldung für die Beamten und die bundesweiten Tarifabschlüsse für die Angestellten werden sich im neuen Doppelhaushalt widerspiegeln. Trotzdem soll es dabei bleiben, dass die öffentlichen Ausgaben bis 2020 nur um 0,3 Prozent jährlich steigen. Wenn sich der nächste Senat, der nach der Wahl am 18. September gebildet wird, an diesen Konsolidierungskurs hält, muss Berlin vielleicht schon ab 2016 keine neuen Schulden mehr machen. Vorausgesetzt, das Wirtschaftswachstum bleibt stabil und die Steuereinnahmen sprudeln munter weiter.

Die Sozialausgaben, jährlich vier Milliarden Euro, werden im Haushalt für die nächsten zwei Jahre auf diesem hohen Niveau stagnieren. Die Kosten für Kreditzinsen werden sinken. Diese Einsparung wird genutzt, um die Investitionsausgaben auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr aufzustocken. Das reicht aus, um das Bettenhochhaus und andere Bauprojekte der Charité zu finanzieren, das Internationale Congress Centrum (ICC) endlich zu sanieren und für eine neue Landes- und Zentralbibliothek auf dem Tempelhofer Feld die Planungsgelder zu bewilligen. Auch für den Umzug der Poelchau-Oberschule – Eliteschule des Sports – ab 2012 in den Olympiapark werden im neuen Etat die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt. Die Staatliche Kunsthalle, für die der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) so vehement warb, geht dagegen leer aus.

Bei den Sachausgaben der Verwaltung mussten 170 Millionen Euro (2012) und 220 Millionen Euro (2013) gekürzt werden. Aber es quietschte nicht beim Sparen. Die handelsüblichen Mehrforderungen der Senatsmitglieder und Lobbyisten wurden vom Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) weitgehend abgewehrt. Jetzt bestand sein Etatentwurf und die dazugehörige Investitionsplanung bis 2016 auch die Endkontrolle Wowereits und ist damit beschlussreif.

Das umfangreiche Zahlenwerk soll am 1. September in die letzte Sitzung des Abgeordnetenhauses vor der Wahl eingebracht werden. Ein eher symbolischer Akt, denn auch ein Haushaltsentwurf unterliegt dem Grundsatz der Diskontinuität. „Alle Vorlagen, Anträge und Anfragen gelten mit Ablauf der Wahlperiode als erledigt“, schreibt die Geschäftsordnung des Landesparlaments vor. Demnach muss der Etat für 2012 und 2013 nach der Abgeordnetenhauswahl dem Abgeordnetenhaus neu vorgelegt werden.

Es könnte also gut sein, dass der Senatsbeschluss vom Dienstag die Koalitionsverhandlungen gar nicht oder in korrigierter Fassung überlebt. Das hängt vor allem davon ab, welche Parteien die Regierung bilden und welche Wahlversprechen dann finanziert werden sollen.

Zur Startseite