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Berliner Sparsenator: Ulrich Nußbaum.

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Finanzsenator Ulrich Nußbaum: Diese Stadt braucht eine neue Gründer-Zeit

Hauptstadt, Tourismus und Kultur - all das hat Berlin, sagte Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Doch das reiche nicht aus. Die Wirtschaftskraft und -bereiche müssten ausgebaut werden, so der Senator.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Wenn ich über Berlin nachdenke, fallen mir spontan Hauptstadt, Tourismus und Kultur ein“, sagt Finanzsenator Ulrich Nußbaum. „Doch jedem Unternehmer“, fügt er hinzu, „müssten eigentlich sofort die wichtigen Wirtschaftsbereiche einfallen, für die er nach Berlin kommen würde.“ Aber so weit sei die Stadt trotz guter Fortschritte eben noch nicht. Deshalb geht der parteilose Senator mit der Wirtschafts- und Standortpolitik der eigenen Regierung kritisch um. Denn größere Wirtschaftskraft bedeutet höhere Steuereinnahmen.

Zwei Jahrzehnte nach der Vereinigung Deutschlands hängt Berlin immer noch am Tropf des Bundes und der Länder. In diesem Jahr fließen 3,9 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich und als Bundesergänzungszuweisungen in die Landeskasse. Dazu kommen über 1,6 Milliarden Euro aus dem Solidarpakt Ost. Das Land Berlin ist weit davon entfernt, aus eigener Kraft leben zu können. So wie zum Beispiel der Stadtstaat Hamburg, der zwar ebenfalls hoch verschuldet ist, aber eine respektable Wirtschaftskraft vorweist.

Nußbaum zählt erst einmal die Vorteile Berlins auf: viele gut ausgebildete, kreative junge Menschen, leistungsstarke Hochschulen, profilierte Forschungseinrichtungen, attraktive und citynahe Gewerbeflächen und relativ niedrige Personalkosten. „Auf dieser Klaviatur muss man spielen, dazu brauchen wir einen ,cultural change’.“ Der Staat müsse die Rahmenbedingungen verbessern, die Unternehmer in Berlin müssten mehr wagen „und dem Staat deutlich sagen, was sie dafür brauchen“, fordert Nußbaum. Wenn aus der Grundlagenforschung heraus neue Produkte und damit auch neue Unternehmen entstünden, „werden Business-Angels, also Berater für junge Gründer, Vermarktungskonzepte, geeignete Flächen und Räume gebraucht“.

Als positives Beispiel fällt Nußbaum der Bezirk Reinickendorf ein

Der Finanzsenator will in jedem Fall verhindern, dass Berlin unternehmerische Jungstars und Forscher verloren gehen. „Viele werden von den Bayern oder Sachsen abgeworben, nachdem sie in Berlin für teures Geld zu Spitzenkräften ausgebildet wurden.“ Offenbar fehlten in der Hauptstadt noch Strukturen und Rahmenbedingungen, die andere Bundesländer den zukunftsträchtigen Start-up-Unternehmen zur Verfügung stellten. „Berlin darf aber kein neuer Bill Gates durch die Lappen gehen.“

Als positives Beispiel fällt Nußbaum der Bezirk Reinickendorf ein. Der kämpfe momentan darum, ein Grundstück des landeseigenen Liegenschaftsfonds als Business-Park für Jungunternehmer aus dem Wissenschaftsbereich nutzen zu können. Leider hätten die Berliner Bezirke bisher nur ein moralisches, aber kein fiskalisches Interesse, private Unternehmen anzusiedeln. „Wir sollten deshalb überlegen, wie wir die Bezirke für erfolgreiche Wirtschaftspolitik finanziell belohnen.“ Die Idee ist nicht neu, wurde aber vom Senat stets energisch abgeblockt.

Auch die internationale Vermarktung Berlins muss nach Ansicht des Finanzsenators „konsequenter fortgesetzt“ werden. Dazu gehöre eine bessere Zusammenarbeit mit Brandenburg, „mit der sich beide Seiten noch schwertun“. Den Seitenhieb kann er sich nicht verkneifen: „Die Brandenburger fahren gern auf dem Hauptstadt-Ticket, ohne Hauptstadt zu sein.“ Aber da dürfe sich Berlin nicht beschweren, sondern müsse ganz einfach besser sein.

Warum mischt sich Nußbaum überhaupt in die Wirtschaftspolitik ein? Einerseits ist er an sprudelnden Steuereinnahmen interessiert, andererseits seien eine gute Bestandspflege und ein erfolgreiches Standortmarketing nur im Zusammenspiel des gesamten Senats und aller Bezirke zu erreichen. „Für schnelle Genehmigungen, gute Verkehrsverbindungen, für einen Klimaschutz, der die Unternehmen nicht einschnürt, und für eine wirtschaftsfreundliche Wissenschaftspolitik.“ „Aber“, sagt der Senator, der in Bremerhaven zwei Jahre Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer war, „das ist Kärrnerarbeit.“

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